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aufgedrungen, daß die Fundamente des häuslichen und bürgerlichen Lebens, Sittlichkeit und Religiosität, an den beiden Enden der civilisirten Menschheit – der niedern Classe und der vornehmen – zerstört seyen, und die durch die Entsittlichung hauptsächlich beförderte Verarmung von unten herauf die Gesellschaft mit den größten Gefahren bedrohe. Die vollkommen-klare Einsicht in den Thatbestand und die Ursachen jenes Verderbens, verbunden mit dem auf wahrer Religiosität begründeten unerschütterlichen Glauben, daß Gott die Menschheit mit den nöthigen Anlagen und Kräften ausgerüstet habe, um, in ächter Cultur, ihre Bestimmung, die eingepflanzten Triebe nach Glückseligkeit, Vervollkommnung und Sittlichkeit in harmonischer Unterordnung (unter jeglichem Standesverhältniß) befriedigen zu können, wofern nur das intellektuelle, moralisch-religiöse und industrielle Leben aller Volksclassen durch tüchtige Erziehung zur gehörigen Entwicklung gebracht würde, waren Fellenberg’s Ausgangspunkte. Dabei gab er, ganz abweichend von Rousseau’s, Fichte’s und anderer Ideologen Ansichten über Erziehung, dem sogenannten Positiven im Staat und Kirche Würdigung, und indem er sein System den einmal bestehenden, oder gegebenen Verhältnissen anpaßte, wurde er der Schöpfer der neuern praktischen „Staatspädagogik“ und führte aus, was die größten Menschen des classischen Alterthums (Pythagoras, Lykurg, Platon etc.) mit mehr oder minder großem Erfolge zu ihrer Seit versucht hatten.

Die wichtigste und werthvollste Eigenthümlichkeit der Hofwyler Bildungsanstalten ist unbezweifelt die, daß in ihnen die physische und ökonomische Basis des Volks- und Staatslebens mit den höchsten Interessen der Humanität in gleiche Linie gebracht ist; denn wie sittlicher und ökonomischer Verfall bei Individuen und Völkern immer Hand in Hand gehen, so sollen auch die Gegensätze vereinigt dem Ziele zuschreiten. Welche Bedeutung der rechtliche Erwerb und die Arbeit für die höheren Interessen des Menschenlebens wirklich habe, ist in den Hofwyler Anstalten auf die überzeugendste und klarste Weise zur Darstellung gebracht. Wer Hofwyl besucht, wird unwillkührlich von Verwunderung ergriffen bei dem Anblicke dieser zahlreichen, auf einer weiten Aera zerstreuten, großartigen Anstalten: alle das Werk eines einzigen Privatmannes und die Frucht 30jähriger Ausdauer in der Verfolgung einer Idee für Menschenwohl. – „Heiterkeit, Ordnung, Eintracht und Thätigkeit walten überall; der Geist des Gründers schwebt gleichsam über alle Theile seiner Schöpfung und durchdringt jedes derselben angehörige Individuum. Ein großer Gedanke durchläuft das labyrinthische Ganze als sichtbarer Faden; ein Gedanke, hervorgegangen aus der tiefsten Betrachtung über die Zustände der gesitteten Völker. Unwillkührlich drängt sich jedem Besucher Hofwyl’s die Ueberzeugung auf, daß er hier den großartigsten Versuch für eine gründliche Reform der europäischen Gesellschaft vor sich sehe, anbahnend die sittliche Regeneration der gesammten Menschheit.“

Fellenberg’s Anstalt umfaßt gegenwärtig folgende, zwar getrennte, aber mit einander in steter Wechselwirkung stehende Institute. Erstens: die Erziehungsanstalt für die Söhne der höhern Stände. Der Zweck, der in derselben verfolgt wird, ist: durch bie naturgemäßeste, vielseitigste und höchstmöglichste Ausbildung den begünstigten

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/88&oldid=- (Version vom 27.10.2024)