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CCLXXXXVIII. Hofwyl bei Bern.




„Dieß ist Einer den Uns; dieß ist ein Fremder!“ So sprechen
     Niedere Seelen. Die Welt ist nur ein einziges Haus.
Wer die Sache des Menschengeschlechts als Seine betrachtet,
     Nimmt an der Götter Geschäft, nimmt am Verhängnisse teil.


Die dünne Rinde der Gluthkugel, die wir Erde nennen, ist göttlich angehaucht, und auf ihr wimmelt ein Leben, Atom vom großen Leben bes Universums. Aber auch in der Seele jedes einzelnen großen[1] Menschen ist Gott lebendig und ein Weltbildungsstreben trachtet unablässig nach Entwickelung. Weise Ordnung! Ohne die großen Gluthseelen, an welchen sich die kleinen erwärmen können, wurden diese gar erstarren; das Menschenmeer wäre ein Eismeer, die Sonne der Zeit beschiene es umsonst. –

Hofwyl! Auch dich hat ein Mensch aufgerichtet, welcher hoch auf den Bergen steht; Einer, der die Gewitter des Lebens nur um, nie über sich hat. Reines Herzens hat er die Saat dort ausgeworfen, welche seine Seele als die beste erkannte; Wunder der Arbeit hat er gethan, um sein Feld zu roden, und über der Arbeit wenig Dank geärndtet; jedoch herrlich steht die Flur. Der schlimmsten Vergangenheit ist er los, und manche Blüthe hat ihn hoch erfreut. – Ich beneide Fellenberg.

Hofwyl’s Bildungsanstalten sind nicht mit gewöhnlichen Instituten, die im Privatinteresse und für bloße Privaterziehung errichtet werden, zu verwechseln. Vom Anbeginn an gab ihnen ihr Begründer die Bestimmung, den öffentlichen Interessen des Staats und der Menschheit zu dienen, und selbst die zahlreichen Gegner seiner Bestrebungen haben Hofwyl’s große Bedeutung für die Civilisation nicht zu leugnen gewagt. Mächtig ist der Strom geworden, der aus der lautersten Quelle fließt; denn er ist aus der einen Idee entsprungen, daß dem allgemeinen Culturverderben unserer Zeit nur auf dem Wege einer alle Stände des Volks mit gleicher Sorgfalt berücksichtigenden, verbesserten Erziehung mit Erfolg entgegenzuwirken sey. Fellenberg’s eigenthümliche, sehr bewegte Verhältnisse begünstigten bei ihm die vielseitigste Beschauung des Lebens und schon im frühen Mannesalter hatte sich ihm die Ueberzeugung


  1. Ich verstehe darunter nur solche, welche reines Herzens für der Menschheit höchste Interessen aufopfernd wirken; Pythagoras z. B.; Lykurg, Luther, Washington, Kosziusko. – Der Größte wurde gekreuzigt.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/87&oldid=- (Version vom 27.10.2024)