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liegt am Flußufer; hinter derselben streckt sich, landeinwärts, die sogenannte alte Stadt aus, mit einer Menge öffentlicher Gebäude, dem Sitz von Behörden und Staatsanstalten, auch mit dem weitläufigen Pallaste des Vicekönigs; die dritte, die Kaufmannsstadt, westlich von der vorigen ist mehr als Vorstadt zu betrachten, da nur jene beiden mit Mauern umgeben sind. Letztere sind 25 Fuß hoch und mit Schießscharten versehen. Ein hoher und tiefer Wall umschließt beide erstgenannte Stadttheile und die Zugänge bilden 16 Thore, über welche Thürme ragen, die beständig mit Militair besetzt sind. Ein Besuch der Stadt innerhalb des Walls ist für den Europäer immer ein mißliches und gewagtes Unternehmen; denn gesetzlich ist es ihm nicht erlaubt, sich aus dem Bezirk der europäischen Faktoreien zu entfernen. Wagt er es dennoch, die innere Stadt zu betreten, so wird er sich nicht nur den Beleidigungen der Chinesen aussetzen, die bei seinem Anblick zusammenlaufen und ihn mit Spott- und Schimpfreden begleiten; er läuft auch Gefahr, von lauernden Polizeioffizianten gepackt und vor einen Mandarin geführt zu werden, aus dessen habsüchtigen Klauen er sich nur durch schweres Lösegeld wieder befreien kann. Nur in der nicht umwallten sogenannten Kaufmannsstadt darf er unbelästigt umherwandeln, und wenn er diese gesehen hat, kann er sich auch jene vorstellen, da in ihrer Bauart sie sich von letzterer nicht unterscheiden.

Die Kaufmannsstadt macht etwa den dritten Theil von Canton aus und ist so groß als Hamburg und Altona zusammengenommen. Ihr zunächst stehen auf einer durch den Fluß gebildeten Landzunge die schönen und weitläufigen Gebäude des „Cantons der Fremdlinge,“ d. h. der europäischen Faktoreien, wo die Kaufleute der verschiedenen zum Handel mit China zugelassenen europäischen Nationen die ihnen von der Regierung angewiesenen, und genau abgegrenzten Wohnungen haben, hinter welchen die unermeßlichen Waarenspeicher der Hongkaufleute sich ausdehnen. Letztere sind auch Eigenthümer der in halb chinesischem, halb europäischem Geschmack schön und bequem eingerichteten und kostbar meublirten Wohnungen, für welche sie aus der Faktoreikasse jeder Nation einen mäßigen Miethzins beziehen. Die große brittische Faktorei, bei weitem die angesehenste, ist besonders kostbar ausdekorirt und der englische Handelsmann speist hier, wie ein Fürst, auf massivem Silber. Prächtige Kaien laufen an der Fronte sämmtlicher Faktoreien hin und die Verandas, mit Blumen besetzt, bringen Schatten, Kühlung und Wohlgeruch in die Zimmer, ohne die köstliche Aussicht auf den lebendigen, schiffewimmelnden Strom und die amphitheatralisch sich erhebende Gegend zu versperren. Unser Bild ist eine sehr treue Darstellung der heitern Ansicht dieses Theils von Canton. Der Faktoreien sind 12: die portugiesische oder Dammfaktorei, die holländische, die große englische, die persische, die kleine oder alte brittische, die schwedische, die österreichische, die glückliche oder die amerikanische, die spanische, die französische, die kleinste von Allen, und die dänische. Letztere heißt auch bei den Chinesen „der Wirwarr“, da sie der gewöhnliche Sammelplatz von Fremden allerlei Zungen ist. Unmittelbar daran stoßen einige enge chinesische Gassen, fast ganz von Speisewirthen, Höckern, Trödlern und Curiositäten-Krämern bewohnt, – der Tummelplatz

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/38&oldid=- (Version vom 26.10.2024)