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letztere zuweilen harte Verfolgung zu ertragen hatten, so geschah es nicht um ihrer Religionsgrundsätze willen, sondern weil man ihnen, sey es mit Recht, oder verleumderisch, staatsgefährliche Bestrebungen unterlegte. Die Verfolgung hörte immer auf, sobald man sich von dem Ungegründeten einer solchen Beschuldigung überzeugt, oder die vermeintlichen Rädelsführer ergriffen und entfernt hatte. Die ganze Gesetzgebung China’s hat, ihrer Theorie nach, in der That nur die allgemein gültigen Gesetze der Moral zur Basis und sie würde, in lebendiger und unverfälschter Anwendung ihrer Prinzipien, die vollendetsten Muster zur Völkerbeglückung aufstellen. Aber in ihrer bisherigen Praxis ist sie gerade das Gegentheil von Dem, was sie seyn sollte; – sie ist eine Maschine, die Civilisation zum Stillstehen zu zwingen, die Völker zu Rotten von Heuchlern und Sklaven zu machen, oder sie zu schlafenden Winterthieren zu entwürdigen.

Die äußere Gliederung des chinesischen Reichs ist folgende. Das eigentliche China, d. i. das Central-Reich, theilt sich in 18 Gouvernements, deren jedes durchschnittlich eine Größe und Bevölkerung hat, die jene des preußischen Staats weit übersteigt. Jedes Gouvernement zerfällt in mehre Provinzen, diese in Commissariate, diese in Kreise, diese in Districte. Verwaltung und Justiz sind in den nämlichen Beamten vereinigt. Getrennt aber ist das Kriegswesen, und in dieser Beziehung ist das Reich, wie Frankreich in Militardivisionen, in Militärgouvernements getheilt, deren Chefs unmittelbar vom kaiserlichen Hofe Befehle empfangen. Das Gemeindeleben ist streng geordnet und dient im eigentlichen Sinne der Staatsverwaltung zur Grundlage. Je zehn Häuser bilden einen Zehnten (Pschai) mit einem Vorsteher oder Friedensrichter. Zehn Zehnten (oder hundert Häuser) constituiren eine Gemeinde, mit einem Zja-tschan, oder Schulzen. Wiederum zehn Gemeinden oder 1000 Häuser machen ein Amt, mit einem Amtmann (Bao-tschan) an der Spitze. Alle diese Stellen werden durch die freie, mehrstimmige Wahl der sämmtlichen Gemeindeglieder besetzt und die Majorität hat das Recht, die Gewählten von Jahr zu Jahr zu removiren. Jeder Familienvater, der lesen und schreiben kann, unbescholten ist und seine Steuern pünktlich entrichtet, ist wählbar. Die Funktionen der Gemeindebeamten begreifen die Ausübung der niedern Polizei, die Verwaltung des Gemeindevermögens und das Ausstellen der Jahrtabellen über die Bevölkerung, deren Besteuerung, und den sittlichen und gewerblichen Zustand ihres Districts. Diese Einrichtung ist im ganzen chinesischen Reiche, in Städten, Flecken und Dörfern, dieselbe; die Zehntner berichten an die Hundertmänner, diese an die Amtsvorsteher, diese an die kaiserlichen Districtsbeamten und so fort, und auf solche Weise gelangen die Central-Uebersichten endlich an das Ministerium in Peking und an den Kaiser, dem die Resultate alljährlich, auf gelber Seide geschrieben, feierlich überreicht werden. Große, mit unnachsichtlicher Strenge gehandhabte Pünktlichkeit und Ordnung in diesem Dienstzweige macht, daß der Zweck vollkommner, ale in irgend einem europäischen Staate erreicht wird. Die Besteuerung selbst ist in China sehr gering; 400 Millionen Einwohner zahlen nicht ganz 600 Millionen Gulden. Frankreichs 40 Mill. zahlen mehr. – Die Resultate der Reichsverwaltung werden alljährlich in Peking durch den Druck veröffentlicht.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/34&oldid=- (Version vom 26.10.2024)