Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/250

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

den Frieden an und die schwersten Opfer. Alles carthagische Land außer Afrika sollte den Römern seyn. Vergebens. Die Schlacht bei Zama wurde geschlagen, und geschehen war’s um Carthago, um die Freiheit der Welt.

So endigte der zweite punische Krieg. Der von Rom diktirte Friede entwaffnete Carthago und erniedrigte es zum Vasallen. Es mußte, bis auf ein kleines Gebiet in Afrika, alle Besitzungen und Colonieen abtreten, die ganze Kriegsflotte ausliefern, 10,000 Talente bezahlen und hundert seiner vornehmsten Bürger nach Rom schicken als Geiseln für künftige Treue.

Fünfzig Jahre vergingen. Carthago, obschon der Macht als Staat beraubt, blühete noch durch Handel und Reichthum wie keine andere Stadt der Erde; es zählte ¾ Million Einwohner, also fast so viele als Rom selbst. Da beschloß das letztere, müde des eifersüchtigen Bewachens der Todfeindin, sie zu erdrücken. Der Vorwand war bald gefunden. Rom erklärte der Vasallin höhnend den Krieg. Schon stand die Exekutionsarmee mit den Konsuln in Sicilien zur Ueberfahrt nach Afrika gerüstet, des letzten Winks vom Senat gewärtig. –

Die geängstigten Carthager boten, den Sturm zu beschwören, demüthig ihre Unterwerfung an. Sie schickten 300 ihrer edelsten Bürger als Geiseln nach Rom und die Erklärung: sie harreten der Befehle des Senats, was weiter geschehen solle; sie würden in allem gehorchen. Die Geiseln kamen; die Konsuln gingen nach Afrika. Sie forderten Auslieferung der Schiffe, der Waffen, des Kriegsgeräths. Die Carthager gehorchten. Darauf gebot Rom: niederreißen sollten die Carthager ihre herrliche Stadt und bauen eine andere, weit weg vom Meere und ohne Mauern.

Jetzt loderte der Muth der Verzweiflung auf. Der Welt sollte gezeigt werden, was ein aufs äußerste gebrachtes Volk vermöge. – Was man eben hingegeben, das Daseyn zu erkaufen, das schuf die erfinderische Verzweiflung von Neuem. Doch hier schildere ein Besserer[1] als ich! „Das Gebälke der Wohnungen wurde zu Schiffen verarbeitet, alles Metall in Häusern und Palästen, Tempeln und Gräbern zu Waffen. Weiber gaben ihr Geschmeide zu Pfeilen hin, ihr Haupthaar zu Bogensennen; Kinder, Sklaven, Verbrecher wurden bewaffnet, die Verwiesenen zurückberufen und statt einer wehrlosen Stadt fanden die erstaunten Römer ein Kriegslager, statt unterwürfiges Flehen tobende Kampfbegeisterung.“

„Gegen die sieggewohnten Legionen hielt sich die hülflose Stadt bis in’s dritte Jahr. Mehre konsularische Heere wurden geschlagen. Da sandten die Römer den edlen Scipio mit gewaltiger Macht, den ungleichen Kampf zu beendigen. Die Carthager thaten mehr, als glaublich ist. Der Hafen wurde durch einen Damm gesperrt; wunderbar


  1. Rotteck; Weltgeschichte, II. Bd.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/250&oldid=- (Version vom 20.11.2024)