Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/242

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
CCCXXIX. Die Ruinen von Carthago.




Adieu, belle France! rief mein französischer Koch, die Augen unverwandt nach der fliehenden Küste seines Vaterlands gerichtet. Leuchtend im Glanze der Morgensonne erhoben sich in der Ferne die Thürme der Tochterstadt Carthago’s. Ihre von den felsigen Höhen herunter blickenden Forts, der Mastenwald im Hafen, die Kriegsschiffe auf der herrlichen Rhede, boten ein prachtvolles Schauspiel dar. Es dauerte nicht lange. Mit jedem Augenblicke wurden die Gegenstände am Strande undeutlicher, und bald hatte sich jener majestätische Anblick in den ermüdenden einer weiten Wasserwüste verwandelt. Unser Dampfschiff, das den neuen französischen Consul von Marseille nach Tunis führte, war von jenen größern eins, welche die Kraft der französischen Marine jetzt so bedeutend verstärken und der Regierung bei ihrem Verkehr mit Afrika so nützlich sind. Der Leviathan führte eine Maschine von 600 Pferdekräften, hatte 3 Masten und war als Corvette gerüstet. Außer dem Consul, dessen Familie und Dienerschaft bestand unsere Reisegesellschaft aus einigen jungen Gelehrten und Ingenieurs, die im Auftrage der französischen Regierung das Land durchforschen sollten, und einem halben Dutzend Marseiller Kaufleuten, jungen Männern von guter Familie und gut unterrichtet. Die fröhlichste Stimmung belebte die ganze Gesellschaft, und der Consul detachirte einen Diener in seinen Flaschenkeller, um bei einem Korbe des besten Bordeauxweins seine Gefährten zu versammeln, und noch einmal das Andenken an das schöne Frankreich, dessen Gestade längst schon in Wasser und Nebel verronnen waren, recht lebhaft in uns aufzufrischen.

Die ersten Stunden einer Seereise sind stets die heitersten. Die ganze Seele ist in Spannung. Man ist des Anblicks einer unermeßlichen Wasserfläche noch nicht müde geworden, und das ewige, eintönige Wogengeräusch dünkt einem noch Musik. Die Reiselust glüht so lebendig, die Phantasie malt jene neuen Länder, die wir nun bald sehen sollen, mit den schönsten Farben aus. – Doch schnell ändert sich die Scene. Bald tritt ein dunkles Mißbehagen über das Schaukeln des Fahrzeugs ein; leichte Anwandlungen von Schwindel folgen, der Appetit vergeht, die Helle des Geistes schwindet. So ging es auch uns. Immer matter wurde die Unterhaltung. Einzelne taumelten auf und nach dem andern Ende des Decks, und die Anfangs lachten über die blassen, schwankenden Genossen, verstummten einer nach dem andern. Es war ein Mitleid erregender Anblick, diese kurz vorher noch so blühenden Gestalten, welche der ausgelassensten Lustigkeit sich überlassen hatten, jetzt mit kreideweißen Lippen hinfällig allenthalben auf dem Verdeck

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/242&oldid=- (Version vom 20.11.2024)