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CCCXXVI. Mailand.




Ich führe dich in Gedanken auf den gepriesenen Hügel von Brianza (an der Straße von Bellaggio nach Mailand), und wir besteigen den alten Glockenthurm, welcher im Mittelalter die Bewohner der Gegend zu den Comitien rief. Rückwärts glänzen die Alpen und zu deinen Füßen rauschen die Fluthen des Comersees, in dessen langen Armen die Landschaft ruht, die man das Paradies der Lombardei genannt hat. Ungehindert schweift der Blick südwärts über die weite Ebene, welche Städte und Dörfer, Weiler und einzelne Wohnungen bedecken. Zunächst liegt Monza mit seinen Parks und Schlössern, und die von da nach Mailand führende erste Eisenbahn Oberitaliens, des rege Leben auf derselben, dazu die Menge Frachtwagen, die Maulthierzüge, die vielen Reisenden auf allen Landstraßen etc. etc. deuten die große Stadt an, welche dein Auge vergeblich sucht. Da hebt ein Hauch der Alpen den Schleier, der sie bisher verhüllte, und mit einem Male ist dir ihr prächtiger Anblick geöffnet. Umgeben von einem Wald von Klöstern und schloßartigen Villen prangt das thurmreiche Mailand, zwischen blühenden Gärten seine unermeßlichen Arme ausstreckend, deren Fingerspitzen die nächsten Flecken und Dörfer bilden. Von Strecke zu Strecke scheint es sich unter dem Gewölbe der Bäume zu verlieren, um mit seinen breiten Häusergruppen nur um so imposanter wieder hervorzutreten.

Der Weg von Brianza ist werth der Hauptstadt bes obern Hisperiens. Das ganze Land ist wie ein Gesang der Georgica: so schön, heiter und voller Harmonie. Ein weiches, duftiges Licht umhüllt alle Dörfer, kleine Flüsse benetzen sie, von allen Hügeln steigen Pinienhaine herab, prächtige Villen entschleiern sich von Zeit zu Zeit inmitten der Gärten und auf den Gipfeln der fernen Berge luftige Klöster wie Gedanken des Himmels. Segnender Friede herrscht auf der lombardischen Ebene, und ihre einst feindlichen Städte theilen sich im friedlichen Genuß der Güter. Ueberall erfreut den Reisenden das Bild der höchsten Cultur. Die rankende Rebe schlingt sich um jeden Fruchtbaum, und die Erde in seinem Schatten ist mit Getreide, Reis und Gemüse bedeckt. Alle Felder sind mit grünen Hecken eingefriedigt, die ihnen das Ansehen von lauter Gärten geben, und gebahnte Pfade winden sich zwischen ihnen hin. 20 bis 30 Miglien um die Hauptstadt wiederholt sich dies freundliche Bild. Sie selbst aber verkriecht sich, je näher man ihr

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/231&oldid=- (Version vom 19.11.2024)