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man eine Menge Sclaven beschäftigt, die Ruhestätten ihrer Herren zu schmücken. Große Urnen, die die Asche der Todten enthalten, sind in langen Reihen unter Baldachinen von rothem und schwarzem Sammet, die mit goldenen Franzen oder breiten Borden besetzt sind, aufgestellt. In der ganzen Länge und Höhe der Seitenmauern des Gewölbes befinden sich Löcher, jedes groß genug, um einen Sarg fassen zu können. In ein solches wird der Neuankömmling geschoben und die Oeffnung mit Kalk verstrichen. So bleibt der Sarg 2 Jahre stehen. Dann wird die Leiche herausgenommen, verbrannt und die Asche in einer Urne beigesetzt.

Der Brasilianer hat in seinem Benehmen noch vieles vom Ceremoniellen des vorigen Jahrhunderts, da dies seiner Bequemlichkeit am meisten zusagt. Die Fremden klagen über kalte Aufnahme und Ungastlichkeit in Rio. Leute, die längere Zeit in der Hauptstadt lebten, schildern die Männer als eine träge, indolente Raçe, blos dem Genuß lebend, fremd höhern Bestrebungen, und sehr selten mit den wissenschaftlichen Kenntnissen ausgestattet, die man in Europa bei jedem Gebildeten voraussetzt. Artigkeit, Liebenswürdigkeit und Feinheit im Umgange sind hingegen in den höhern Damenzirkeln auch hier allgemeine Zierden. In Musik und Tanz gelten sie als Meisterinnen; Conzerte sind ihre gewöhnliche Unterhaltung. Die Brasilianerin ist stark brünett, mit schwarzen, glühenden Augen, und obschon zum Embonpoint geneigt, ist sie doch leicht und graziös in ihren Bewegungen. Wie in allen tropischen Climaten heirathen die Mädchen hier sehr früh; im 12. Jahre Hausfrau und Mutter zu seyn, fällt in Rio nicht auf.

Das größte Bauwerk in der Nähe von Rio und zugleich das bedeutendste in ganz Südamerika ist eine Wasserleitung, die aus einer Entfernung von 1½ Stunden vortreffliches Trinkwasser auf einem Aquaedukt, römischen Baustyls, zur Stadt führt. Er kostete über 1 Million Dukaten.

Rio Janeiro, das jetzt 100,000 Einwohner zählt, prangt zwar mit einer Universität, einem großen botanischen Garten, Sternwarte, Museum, naturhistorischen und artistischen Sammlungen und einem zahlreichen, gut besoldeten Lehrercollegium etc.; aber die Leistungen aller dieser Anstalten sind sehr gering. – Der Handel ist’s, der hier alle Welt mehr oder minder in seinen Kreis zieht. Jede Handelsnation der Erde hat in Rio unter ihrem Consul eine kleine Colonie. Die Basis der Geschäfte ist der Produktenreichthum Brasiliens zur Ausfuhr nach Europa: – die Diamanten, das Gold und Silber der Minen, – vor allem aber Kaffee und Zucker. Die Cultur dieser beiden Artikel hat in den letzten 2 Jahrzehnten unglaublich zugenommen, und die vorjährige Ausfuhr von Rio betrug an 16 Millionen Piaster.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/228&oldid=- (Version vom 19.11.2024)