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Glocken ertönen auf verschiedenen Punkten, die Kanonen der Batterien salutiren, es knallen Böller auf den Höhen, und Raketen zu Hunderten zischen von Zeit zu Zeit in die Luft. Hier ist alle Tage Feiertag; denn jeder Tag hat seinen Heiligen, der von einem Kloster, oder einer Congregation fetirt wird.

Die großen Erwartungen, welche das Aeußere von Rio anregt, löst sein Inneres in Täuschung auf. Statt der regelmäßigen, prachtvollen Straßen und großen Plätze, womit die Phantasie die Kaiserresidenz des Westens freigebig ausstattete, findet man meistens enge, übelriechende Gassen, in denen der Unrath sich so lange anhäuft, bis ihn ein Regenguß fortschwemmt. Die Trottoirs sind schmal und ärmlich, und der Fußgänger ist immer in Gefahr, durch die vorbeistreifenden Räder der Fuhrwerke gefaßt, oder doch beschmutzt zu werden. Die Marktplätze sind elend; schmutzige Buden stehen ohne Ordnung umher, in denen Gemüse und Früchte etc. zum Verkaufe ausgestellt sind. Die schönste, breiteste Straße ist die Rua direita, und da, aus dem Fenster eines der vielen Kaffeehäuser in derselben, kann man das äußere Leben und Treiben gemächlich beobachten. – Man erkennt bald, daß die Residenz in Rio null und der Handel Alles ist. Geschäftsleute von allen europäischen Nationen mit dem in sich gekehrten, rechnenden Blick eilen auf den Trottoirs hin, bald da, bald dort an den lässig und faul dahin schlendernden freien Schwarzen stoßend, oder an den gemächlich vor seiner Thür die Cigarre schmauchenden portugiesischen Krämer. Dann und wann stolzirt ein Offizier vorüber mit wichtig thuender, hochmüthiger Miene, gefolgt von einem uniformirten Neger, seinem Bedienten. Caleças (Kaleschen) und Seges (Karriolen), von Maulthieren gezogen, rasseln vorbei unter dem Fluchen und Anspornen ihrer grimmassen-frohen Treiber, und dann und wann kommt eine glänzende Karosse, 2 schwarze goldverbrämte Diener hinten auf, auf dem Bock ein Kerl mit einer ungeheuern Peitsche, hohen Courierstiefeln mit schweren Absätzen, ungeheuern plattirten Sporen, glasirtem Lederhut mit tellergroßer Kokarde und schwankendem Federbusch. Züge von Sklaven, Afrika’s unglückliche Kinder, durch eiserne Halsbänder und Ketten von 10 bis 12 Fuß Länge an einander geschmiedet, trotten, angetrieben von der Peitsche ihres Führers, still und verdrossen, mit Körben voll Kaffee und Zucker auf dem Kopfe, dahin; ein anderer Zug folgt, blühende Mädchengestalten, die den traurigen Klang der Eisen durch Gesänge zu übertönen suchen, Lieder aus ihrer Heimath. Jedem Sklavenhaufen folgt außer dem Treiber immer ein Soldat mit gezogenem Pallasch. – Schnell und leicht bewegt sich ein hübsch aufgeputzter Palankin daher, getragen von trabenden Schwarzen; er hält vor dem glänzenden Laden eines Pariser Marchand de Modes, eine farblose, mit Juwelen bedeckte Hand schiebt den Vorhang zurück, hastig öffnet der Verkäufer die weiten Glaspforten seines Tempels und verbeugt sich tief gegen die eintretende Dame. – Zischend fährt auf einmal eine Rakete auf und unter dem Gelächter eines Schwarms von Negerknaben platzt ein Bündel Schwärmer. – Behaglich tappt ein dicker, aufgedunsener Priester daher, die kleinen Satyraugen unter einem breiträndigen, an

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/226&oldid=- (Version vom 18.11.2024)