Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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tiefere Baue zu führen, theils in der Abnahme der Reichhaltigkeit der Erze. Die furchtbarsten Feinde aber der armen Bergknappen sind die Gletscher, deren von Jahrhundert zu Jahrhundert zunehmendes Vorrücken die besten Erzpunkte vereist hat. Hunderte von Stollen und Schichten, auf denen die Vorfahren bauten, deckt ewiger Schnee jetzt, oder sie liegen begraben unter des Eises Last.
Von Hof-Gastein aufwärts verengert sich das Thal und wo seitwärts eine Schlucht einschneidet, blickt man in die sublime Gletscherwelt. Endlich kommt man an den Punkt, wo es hohe Bergwände nach allen Seiten hin zu verschließen scheinen. Am äußersten Ende steigen Staubwolken neben glänzenden Säulen donnernder Wasserfälle auf: und hoch oben über den Catarakten sieht man durch den Dunstschleier, wie Feenschlösser, die stattlichen Gebäude des Wildbades, das neue Potosi Salzburgs und das sehnsüchtige Ziel so vieler Leidenden.
Die Lage dieses berühmten Kurorts ist höchst originell und wirklich einzig. Fast alle Gebäude liegen an dem äußersten Rande einer gegen 1000 Fuß hohen, senkrechten Thalstufe, durch deren Mitte sich die Ache einen Kanal eingesägt hat, aus dem sie sich mit einem 500 Fuß hohen Sprunge in den Felskessel stürzt, von da sie, nachdem sie abermals einen Felsdamm durchbrach, nach Hof-Gastein hinabrauscht. – Den Vorgrund unserer Ansicht bildet der Kessel des Achesturzes, dem zur Seite das Dorf Gastein, mit seiner freundlichen, kleinen Kirche auf grünen Matten liegend, gedacht werden muß. Das Schloß, die Straubinger Hütte und das Straubinger Gasthaus stehen oben; weiter hin sieht man die Gebäude der Prälatur und das neue Palais des Erzherzogs Johann mit seinen schwebenden Gärten.
Die Höhe des Wildbades ist am Pavillon etwa 3000 Fuß (nach Russegger 3226) über der Meeresfl. Die Thermen (heiße Quellen von 35–40 °R.), von denen sieben gefaßt sind, entspringen sämmtlich am Fuße des Reich-Ebergebirgs, aus festem Gneiss. Um als Bad benutzt zu werden, muß das Wasser bis auf 28 °R. abkühlen, was 6 bis 10 St. Zeit erfordert. Ihrer chemischen Zusammensetzung nach gehören diese Heilquellen zu den einfachsten. Das Wasser ist ganz klar, bei etwas bitterlichem Geschmack geruchlos und die sorgfältigsten Analysen desselben haben nichts entdeckt, was seine große Kraft erklären könnte. Nicht blos auf die höhern Wesen der organischen Schöpfung übt diese sich aus; auch bei den untersten wirkt sie wunderthätig. So richten sich völlig verwelkte Blumen, selbst wenn sie durch Ofenwärme fast gedörrt wurden, taucht man sie mit dem Stiele in’s Wasser, wieder auf, und sie bekommen ihre vorigen, schon verloschenen Farben, ja selbst ihren Geruch wieder.
Wiederbelebung der geschwundenen, Wiederkräftigung der geschwächten Lebenskraft ist’s hauptsächlich, was die Kurgäste in Gastein suchen. Besonders wirksam hat es sich von jeher bei gefährlichen und alten Verwundungen, bei geschwächten Männern und Frauen, erbleichten Mädchen, veralteten gichtischen und rheumatischen Uebeln, oder als Nachkur nach überstandenen schweren Krankheiten erwiesen. Die Frequenz des Bades nahm bisher zu von Jahr zu
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/221&oldid=- (Version vom 18.11.2024)