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Himmel auf. Im Winter, bei hohem Schneefall, hilft die Gefahr, von Lawinen verschüttet zu werden, das Furchtbare dieses Passes vermehren; vor einigen Jahren wurden ein an seinem Eingang liegender Gasthof und mehre Häuser von einer Lawine aufgewickelt, und mit allen ihren Bewohnern in die Tiefe geschleudert.

„Am Abgrund geht der Weg, und viele Kreuze
Bezeichnen ihn, errichtet zum Gedächtniß
Der Wanderer, die die Lawin’ begraben.“

Den Schauern der Klamm entronnen, öffnet sich der Schoos eines friedlichen Thals, wo Alles, bis auf die höchsten Bergzinnen hinauf, in saftiges Grün sich kleidet. Nur die äußersten Hintergründe verschließt eine Gebirgsmauer von anderer Farbe und Gestalt. Ihre Firnen deckt glänzender Schnee; Schneefelder ketten die röthlich-grauen Hörner zusammen, und verrathen, daß man sich jenen Rippen der Alpen nähert, wo der ewige Tod sein Reich aufgeschlagen hat, und in das Niemand dringt, als der flüchtende Steinbock, der horstende Adler, der kühne, jagende Sohn der Alpen, und der forschende Freund der Natur. –

Das Gasteiner Thal bildet zwei Stufen, welche durch eine Thalecke geschieden sind, die jede Aussicht aus der unteren in die obere versperrt. Auf der ersten liegt Dorf-Gastein; auf letzterer der alte Markt Hof-Gastein, das Salzburgische Potosi mit seinen zum Theil noch stattlichen Gebäuden, die indeß kaum an die Herrlichkeit jener Zeit (im 16. Jahrh.) erinnern, wo die Weitmoser und andere Bergwerksbesitzer in diesem Erdwinkel Millionen erwarben und fürstlichen Hof gehalten haben. Was davon noch übrig ist, ist unbedeutend; nur in den Ruinen aus jener Periode ist die merkwürdige Geschichte des Orts zu lesen. Die Goldbergwerke, welche Ueberfluß und Pracht in dieses stille Thal führten, wurden von den Römern schon gebaut. Später verlassen, lebten sie viele Jahrh. lang blos in der Sage fort, bis ein wohlhabender, unternehmender Aelpner, Christoph Weitmoser, die alten Gruben wieder aufsuchte und aufzusäubern anfing. Er baute sich arm; so arm, daß er am Osterfeste nicht einmal Fleisch essen konnte. Das hörte der Salzburger Erzbischof Leonhard von Kautschach, und er ließ den Bedrängten zu sich kommen und streckte ihm 100 Thaler vor, sein Unternehmen fortzusetzen. Bald darauf that sich der Bergsegen auf, so reichlich, daß er und Andere nach 10 Jahren 3000 Bergleute beschäftigen, und Weitmoser jeder seiner Tochter 75,000 Gulden Mitgift geben konnte, und doch seine Erben noch über eine Million unter sich theilten. So groß ward der Reichthum und der Luxus zu Hof-Gastein im 16ten Jahrh., daß sich von Venedig, trotz der Unwegsamkeit des Gebirgs, ein Straßenzug hierher bildete! – Der allmähliche Verfall des Bergbaus in diesen Gegenden (nur wenige Gruben stehen noch in Ausbeute, und die meisten geben den Gewerken kaum die Kosten zurück,) hat seine Ursache theils in der Schwierigkeit,

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/220&oldid=- (Version vom 17.11.2024)