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CCLXXXV. Berlin.




Nicht mehr Völkerfluth stürzt an die starrenden Klippen, gebrochen,
     Jetzt zu den Wolken empört, jetzt zu der Tiefe gesenkt.
Ruhig ist’s Meer, und platt ist die Zeit, und die Völker
     Sitzen im warmen Gemach, spinnen, bau’n Rüben im Feld;
Geh’n zum Geschäft, und vertrau’n den gefälligen Schützern des Hafens,
     Die mit dem eisernen Schild schirmen, wenn Zephyr nur haucht.
Also gedeihen die Städte, gedeihet die Kunst und jeglich Gewerbe,
     Und vom Gewinne erfreut, opfert ’s Geschlecht und lobsingt.


Berlin, nächst Wien die größte Stadt in Deutschland, Hauptstadt der preußischen Monarchie und Residenz des Königs, nimmt die Mitte einer von Natur unfruchtbaren, eintönigen Sandebene ein, durch die sich langsamen Laufs die trübe, doch kahnbare Spree windet. Berlin’s Lage ist die ungeschickteste, welche man für die Hauptstadt eines großen Reichs wählen konnte. Sein dennoch fast beispielloses Großwachsen und Aufblühen ist das Werk außerordentlicher Verhältnisse und wird genährt durch die Anwesenheit des Hofs, aller höchsten Behörden, der wichtigsten Landes-Institute und der Centralisation einer Menge von Staatskräften, welche in Berlin, ihrem gemeinschaftlichen Focus, fortwährend wirksam sind. Noch in unserer Zeit hat Berlin durch die Ausbildung großartiger Gewerbe neue und mächtige Stützpunkte für sein Gedeihen erhalten und sich den Titel einer Fabrikstadt zu dem einer königlichen Residenz erworben. Den Grund dazu hatte schon der große Kurfürst gelegt, der durch die Aufnahme von vielen tausend gewerbfleißigen Protestanten, welche die kurzsichtige Intoleranz des 14. Ludwigs aus Frankreich vertrieb, seine Hauptstadt mit einem Fond von gewerblichem Sinn ausstattete, der reiche Frucht trägt.

Bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war Berlin verhältnismäßig klein und häßlich. Die Stadt stand auf dem linken Spreeufer und nahm kaum den fünften Theil ihres heutigen Raums ein. Friedrich Wilhelm I. entwarf einen umfassenden Plan zur Vergrößerung der Residenz, der von Friedrich dem Großen erweitert und mit der Energie

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/21&oldid=- (Version vom 25.10.2024)