Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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ist eingedenk, wie der mächtigste Fürst auf Erden damals dem Bauer nach Lebensweise und Wohnung näher stand, als jetzt letzterer dem bürgerlichen Kaufmann. Im Compostell, dem uralten Hospiz für die frommen Pilger nach dem fernen St. Jago di Compostella, ist die Verwandlung, welche die Zeit da vorgenommen, pikant; und für den Beschauer, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, auch erfreulich. Denn im Hofe, auf der Stelle, wo vor dem Bilde der Jungfrau der gläubige Wallfahrertroß das Kreuz geschlagen, bauten die Israeliten dem alleinigen Gott ihren schönen Andachtstempel und daneben die der Bildung ihrer Jugend gewidmete treffliche Anstalt, das Philanthropin. – Das Theater, für Drama und Oper zugleich, ist als Bauwerk schlecht; dabei ist’s klein und nicht einmal schön im Innern. Es ist Frankfurt’s unwürdig. Ehrenwerther jedoch erscheinen die großen Anstalten für Wissenschaft und Kunst. Des (1825 vollendeten) Bibliothekgebäudes haben wir schon erwähnt. Ordnungsvoll ist hier ein literarischer Schatz aufgestellt, der nicht der Zahl, (er enthält 50,000 Bände), sondern dem Gehalte nach einer der reichsten Deutschland’s ist; besonders reich an Erstlingsdrucken, Manuscripten und xylographischen Werken. Vieles ist auch da, was man gerade nicht sucht: so Antiken, Mumien, etruskische Vasen, Sculpturen in Holz und Elfenbein, Luther’s Hauspantoffeln und Melanchthon’s Priesterrock und eine kostbare Sammlung eigenhändiger Briefe großer Männer. – Das naturhistorische Museum, an dessen Gründung die Patrioten, Cretschmar und der berühmte Frankfurter Reisende, Rüppell, den meisten Antheil haben, verschließt in seinen weiten Sälen eine der umfassendsten Sammlungen der Welt, die sich durch Geschenke jährlich mehr vervollständigt. Noch wichtiger, als die genannten Anstalten, ist das Städel’sche Kunstinstitut, die Stiftung eines einzigen Bürgers. Schon das magnifike Aeußere des Palastes und die innere Ausstattung seiner Räume lassen auf den Werth der hier aufbewahrten Schätze schließen. Die eigentliche Gemälde-Gallerie enthält 350 Nummern und viele gute Werke der niederländischen und deutschen Schulen, von denen kein großer Meister fehlt. Im Antikensaale sind die sorgfältigen Abgüsse der besten griech. Bildwerke aller Cabinette zusammengestellt. Kostbare Sammlungen von Kupferstichen, Holzschnitten und Handzeichnungen füllen einen besondern Saal. – Aber nicht allein Kunst- und Wissenschaft, auch der Armuth und dem Elende hat der ehrenhafte Sinn der Frankfurter Paläste gebaut. – Das neue Waisenhaus auf der Wallstraße; das Versorgungshaus für Gebrechliche und Alte; das Senkenbergische Stift (für Krankenpflege, gegründet vom Bürger, dessen Namen es trägt), sind großartige und trefflich geleitete Anstalten. Das neue Fremdenhospital, nahe beim Bibliothekgebäude, von lachenden Anlagen umgeben, an einem freundlichen See und mit dem Ausblick in den Maingrund, ist eine architektonische Zierde Frankfurt’s und zugleich eine, die den Sinn der Frankfurter am meisten ehrt. Seine Bestimmung ist, die Verlassenen aus fremden Ländern aufzunehmen, zu pflegen und zu heilen, welche, in Frankfurt dienend, oder durchreisend, krank werden. Im Irrenhause finden die ärmsten aller Leidenden humane, sorgfältige, angemessene Pflege. Im Besserungshause ist die strafende Gerechtigkeit mit
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/207&oldid=- (Version vom 23.11.2024)