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der letzte deutsche Kaiser. An die Zusicherung desselben, die er den Vorständen seiner Krönungsstadt gab, knüpfte sich die Hoffnung auf Wiedererwerb von Freiheit und Selbstständigkeit, welche der 46. Artikel der Wiener Congreßacte nachher verwirklichte. Frankfurt trat dadurch ein in die Reihe der souverainen Staaten Deutschland’s. – Es folgte ein lebendiger, oft krampfhaft und peinlich werdender Kampf der sich durchkreuzenden Interessen im neugeschaffenen Gemeinwesen, und je nachdem eine oder die andere Partei oder Ansicht die Oberhand gewann, benutzte sie den Augenblick des Siegs, um sich Früchte desselben zu sichern. Innerhalb zweier Jahre wurden mehre Constitutionen erlassen, gehandhabt und wieder aufgehoben. Erst im Juli 1816 verständigte man sich über die noch in Kraft bestehende Verfassung. Sie ist im Wesentlichen die reichsstädtische mit denjenigen Modificationen, welche die Zeit als nothwendig forderte. Das democratische Prinzip anerkennt sie unverfälscht. Sie legt die Souverainitätsrechte in die Gesammtheit der christlichen Bürgerschaft und hebt die Vorrechte aller patrizischen Geschlechter auf. Diese Verfassung theilt die Gewalten in die executive (den Senat, aus 42 Gliedern, Schöffen, Senatoren und Rathsverwandten), mit der leider! zugleich (factisch wenigstens) die richterliche verbunden ist, weil Stadtgericht, Appellationsgericht und Curatelamt aus Mitgliedern des Senats bestehen, und in die legislatorische. Letztere ruht in der gesetzgebenden Versammlung und der ständigen Bürgerrepräsentation. Diese besteht aus 61 Mitgliedern, ist das Auge des Staats, die Verwaltung controllirend und in allen Finanzsachen mit dem Senate berathend; jene ist aus 85 immer nur für ein Jahr gewählten Mitgliedern zusammengesetzt. Das Präsidium des Senats führen 2 Bürgermeister, die durch Rotation der Senatsglieder von Jahr zu Jahr wechseln. Die Bewohner der wenigen, zum Frankfurter Gebiete gehörenden Ortschaften sind von aller Theilnahme am Regimente völlig und in dem Maaße ausgeschlossen, daß der kenntnißvollste Sohn des reichsten Dorfbewohners in seiner Heimath nicht einmal als Schulmeister angestellt werden kann. – Die israelitischen Bürger können schon um ihres Glaubens willen nicht zu Staatsämtern gelangen und werden eben so wenig bei den Zünften zugelassen. In jeder andern Beziehung genießen sie Rechtsgleichheit. – Die nicht-bürgerlichen Einwohner Frankfurt’s, Beisassen, (Permissionisten) haben blos auf Duldung und den allgemeinen gesetzlichen Schutz Anspruch. – Man sieht, es ist für künftige Verbesserungen in dem Staatswesen Frankfurt’s viel Raum gelassen, und auch hier wird wahr, daß die Welt überall eine Welt von Kräften ist, in welcher alles Stärkere herrscht, so viel als es kann, und in einer der kleinsten Republiken so gut die Herrschsucht eine Rolle spielen will, als in Autokratieen. Auch die Frankfurter Bürger haben Unterthanen, und sie rufen ihrem Dörfler zu: „willst du Freiheit, so nimm sie mit heim; in deinem Hause magst du ihr Altäre bauen, ein ehrlicher Mann seyn, dein Feld pflügen, bei uns zu Markte gehen, für uns arbeiten, von uns Geld verdienen; – was aber drüber ist, ist dir von Uebel.“ – Vor einer Frankfurter Ausgabe Baseler Geschichten braucht man sich freilich nicht zu fürchten. –

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/203&oldid=- (Version vom 20.11.2024)