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contra Frankfurt war eine stehende Rubrik bei den Reichsgerichten. Die wenige Lebensthätigkeit, welche noch im morschen Staatskörper war, ging in kleinlichen Eifersüchteleien und Streitigkeiten zwischen Rath und Bürgerschaft, Zünften und Senatoren auf. Selbst der Sturm der Revolution (schon Custine rief den Frankfurtern auf offnem Markte zu: „habt ihr den deutschen Kaiser gesehen? – ihr habt den letzten gesehen!“) mit seinen schweren Erschütterungen besserte nichts. Er führte als Contribution und Brandschatzung viele Millionen fort; aber die alten Mißbräuche und Philister-Vorurtheile blieben da, und die Mängel im Regimente wurden unter der gewirkten Schuldenlast, (die meisten der gegenwärtigen Staatsschulden stammen noch aus jener Periode,) nur um so drückender und nachtheiliger.

Die Rheinbundacte löste den Reichsverband, und was ein Jahrtausend zusammen gehalten hatte, fiel aus einander. Dalberg erhielt, als Fürst Primas, Frankfurt von des Eroberers Gunst als Eigenthum. Die Hand jenes gütigen und humanen Fürsten, den der Bedienten-Sinn anfänglich ebenso übertrieben gepriesen hat, als er ihn nach Verlust der Macht ungerecht schmähete, mußte nothwendig das alte Staatsgebäude einlegen und neu bauen, und sie that’s, wie der Meister befohlen, nach französischem Muster. Dazu konnte Dalberg wenig Frankfurter brauchen; er zog Fremde in’s Land als Gehülfen bei’m Organisirungswerke und dadurch, wie durch so manche Maaßregel, die ihm der Zeitendrang gegen seinen Willen abnöthigte, schuf er Unzufriedenheit. Die Frankfurter konnten unter seiner Regierung nicht glücklich seyn; denn für das gute Neue hatten sie noch keinen Sinn – (sie sahen ja nur ein zweifelhaftes Pflanzen, aber keine Frucht! –), der Verlust des Alten aber verletzte ihren Stolz und schmerzte sie, und selbst die Last, welche die Zeit unvermeidlich auflegte, betrachteten Viele nur als eine Folge von der Veränderung des Regiments und der Verfassung.

Dalberg säete; aber er hatte blos die Mühe und die Arbeit davon; die Freude an der guten Frucht, die erst spät reifen konnte, ward ihm nicht. Leipzig’s Donner brüllte und das Primas-Intermezzo war zu Ende. Dalberg floh; er starb, verhöhnt, in Armuth[1]. – Die siegreichen Heere der Verbündeten rückten ein, an ihrer Spitze Franz,


  1. Unter Carl v. Dalberg’s Herrschaft – so zeugt von ihm ein Frankfurter – wurde keinem Bürger ein Haar auf dem Haupte gekrümmt, Keiner wegen seiner Meinungsäußerung verfolgt, Keiner unter Commissionen gestellt, Keiner als Staatsgefangener in das Ausland abgeführt. Die Tortur, welche seine Criminalprozeßordnung abschaffte, wurde unter Dalberg nie durch Verlängerung oder Erschwerung der Untersuchungshaft ersetzt, seine Gerichte dehnten nicht, waren nie über den Schrei der Unschuld entrüstet, beschränkten nie, erschwerten nie die heilige Freiheit der Rechtsvertheidigung. Kein Frankfurter hat damals drei Jahre lang im Untersuchungsarreste, der in Löchern mit abat-jours, oder die Fenster mit Copalfirniß verkleistert, gesessen. Sein Herz, sein Streben war deutsch, frei und recht, so wenig eins seiner Edikte auch die Deutschheit zu Markte trug.
    Rheinganum, im Art. Frankfurt in Rotteck’s Staatslexicon.     
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/202&oldid=- (Version vom 19.11.2024)