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welche nicht ganz 28,000 Einwohner zählt, erscheint neben ihrer jüngern Schwester als deren Acropolis. Die Rollen der beiden Orte haben gewechselt. So geht’s den Menschen und Völkern.

Groß und herrlich ist der Anblick von Pesth’s Stromseite. In einer Länge von einer halben Stunde streckt sich eine Reihe palastähnlicher Wohnungen an den Kayen hin. Da herrscht ein Leben, wie man’s nur in großen Seestädten erwartet. Hunderte von Fahrzeugen liegen im Strome, theils mit Holz beladen, von dem am Oberende der Stadt ungeheure Stöße aufgeschichtet stehen, theils mit Gütern aller Art. Ueberall ist ein Treiben und Drängen der Ein- und Ausladenden, und man hört in vielerlei Zungen reden. Zwischen den größeren Schiffen sieht man die Kähne der Landleute rudern, die Gemüse und andere Früchte, hoch aufgethürmt, zu Markte führen. Am buntesten ist das geschäftige Leben zu beiden Seiten der Ofener Brücke, sowohl auf dem Flusse selbst, als auf den Aus- und Einladeplätzen am Ufer; zumal wenn gerade Dampfschiffe anlanden und abgehen, welche die Verbindung zwischen Wien und Galatzsch unterhalten. Nicht selten führt ein Wiener Dampfboot 500 Passagiere. Kanonenschüsse verkündigen sowohl Ankunft als Abfahrt. Beim ersten Knall entsteht nach dem außer der Zeit stillen Punkte, ein Laufen, Rennen und Fahren, als gelte es einer allgemeinen Flucht. Lastträger drängen sich, Karren rasseln, Lohnkutschen rollen, – alles eilt herbei, mit dem Bestreben, der Erste zu seyn; und der Menge entgegen strömen aus allen Thüren des angekommenen Leviathans über die im Nu geschlagene Brücke die Reisenden, schreiend nach Trägern, welche ihre Habseligkeiten fortbringen sollen, oder Fiaker anrufend, oder in die Arme ihrer Angehörigen stürzend, welche am Ufer harren. Nach einer gewühlvollen halben Stunde ist alles wieder still, das Ungeheuer liegt friedlich zwischen den andern Schiffen, seine Masten sind geleert und speien weder Rauch noch Dampf mehr. Weiter unterhalb der Brücke ist der tägliche Frucht- Gemüse- und Geflügelmarkt. Die Mitte desselben nimmt die dichte Wagenburg der Bauern ein, und auf allen Seiten derselben sind ihre Waaren zu Pyramiden aufgeschichtet, um welche sich ein dichter, bunter Kranz kaufender Köchinnen und Hausfrauen drängt. Noch weiter stromabwärts ist der Fischmarkt, nicht mit keifenden, häßlichen Poissards wie an der Seine, sondern mit freundlichen, meistens blühenden Verkäuferinnen. Den Schlußstein des Pesther Donaustrandes macht der Salzmarkt, nach welchem sich die langen Züge kleiner, kurzer Wagen bewegen, welche das Steinsalz von Szolnok hierher zur Haupt-Niederlage des Landes führen. Auf diesen Marktplätzen hört man überall verschiedene Sprachen; bald Deutsch, bald Ungarisch, bald Slavonisch; Letzteres am häufigsten. Wo das Gewühl der Menschen am dichtesten ist, da haben Kleinhändler ihre Wandel-Buden aufgeschlagen, preist ein Jude mit dem Quersack seine Waaren an, und dann und wann spielt ein Leiermann auf, oder läßt der Policinell der Pesther, ein Zigeuner, grellfarbige Marionetten auf einem Kasten tanzen. Die Heiterkeit des Bildes wird selten durch eine Unordnung gestört, und der impertinente Anblick des Polizeistocks beleidigt hier nicht. Das ehrt die Regierung und es ehrt zugleich das Volk, das jenen entbehrlich macht.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/189&oldid=- (Version vom 14.11.2024)