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nimmt, um zu geben. Im Sinne dieser höchsten Gerechtigkeit hat Max gehandelt, als er die Kloster säkularisirte, die zu hohen Schulen der Finsterniß herabgesunkenen Universitäten in Ingolstadt, Bamberg u. s. w., reformirte, oder aufhob, den Jesuiten das Privilegium der Volkserziehung raubte, die Wallfahrten verbot, Gemeindegüter vertheilte, vollständige Glaubensfreiheit aufrichtete, die Vorrechte einzelner Stände vernichtete, alle Staatsbürger, ohne Ansehen der Geburt und des Rangs, einer gleichen Besteuerung unterwarf, die ungebührlichen Rechte des Adels schmälerte, die Kette der Leibeigenschaft, wo sie noch bestand, zerriß, das Erbregiment der Patrizier in den Städten zerstörte und die überall, wo sie geduldet werden, so verderblich wirkenden Geheim-Verbindungen der Heuchelei und des Egoismus auseinandersprengte und öffentlich brandmarkte; als er zu einer Zeit, wo es als fürstliche Weisheit galt, den Völkern gelobte Versprechungen zu verkümmern, oder sie sophistisch zu verdrehen, oder ihre Erfüllung zu versagen, treu seinem gegebenen Wort, Bayern mit der freisinnigsten Constitution beschenkte, und sein Volk hochgeehrt hat, als er Freiheit der Presse wahrhaft königlich verkündigte. Max sang nicht in Sonetten von der heiligen Jungfrau und von der Freiheit, spielte mit der Weihe der Religion und ihren heiligen Geheimnissen nicht; forderte nicht Entzückung von Jedermann, auch nicht Bewunderung ohne Ende; aber mit einem Leben voll Tugend, und mit einem Herzen voll Heiligkeit hat er im Andenken seines Volkes und im großen Buche der Menschenwurde einen Ehrenplatz für alle Zeiten sich errungen. Max war keine gewaltige Fürstenerscheinung, die Entsetzen einflößt; keine geniale, welche mit Lüderlichkeit, Lüge und Falschheit im Bunde mehr Abscheu als Bewunderung erregt; sondern eine keusche, sittliche Erscheinung, die, selten im Privatleben, am seltensten auf dem Throne, mit Seligkeit erfüllt.

Tegernsee war Maxens Lieblingsplätzchen. Hierher flüchtete der König, wenn ihn der Ekel vor der conventionellen Sclaverei des Hoflebens und dem verkünstelten Staats- und Gesellschaftswesen übermannte, aus der unendlichen Schreib- und Tabellenwelt des Regierens, aus dem Treiben um ihn der voll Ueberspannung, Freigeisterei und Frömmelei, aus den grellen Widersprüchen von Kraft und Schwäche, von Thorheit und Weisheit, von Wahrheit und Lüge, die ihn in tausend Chamäleonsgestalten begegneten und zu täuschen suchten. Hier, in Tegernsee, froh der frischen unwandelbaren Natur der Söhne seiner Berge, denen er auf seinen einsamen Wanderungen und Jagdparthien so gern und treuherzig zusprach, fand er das heitere Bild vom Menschen wieder, welches ein stetes Weilen im Kreise der Höflinge zur elenden, widerlichen Carrikatur gemacht haben würde. In der Betrachtung der großartigen Natur und in der stillen Beobachtung der Erscheinungen derselben gewann die Seele des Königs nicht blos jene ihm eigenthümliche Denkweise, in der Gesetzmäßigkeit und Ordnung vorherrschten, sondern auch jene Erhabenheit der Gesinnung, die es ihn versuchen ließ, seinen Regentenberuf mit den Ideen in Einklang zu bringen, welche ihm offenbar wurden inmitten einer Schöpfung voll Größe, Schönheit und Herrlichkeit. Fühlte er sich dann gestärkt zum bessern und edlern Menschen, kehrte er in die täuschungsvolle Residenzwelt und in

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/180&oldid=- (Version vom 14.11.2024)