Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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mit den Behältern für die wilden Thiere, welche zum Kampfe bestimmt waren, sind noch unbeschädigt, und die Gewölbe so neu, als hätten die Werkleute sie erst gestern verlassen. Wenn man diese unterirdischen Hallen durchschreitet, so bringt jeder Fußtritt ein dumpfrollendes Geräusch hervor, wie ferner Donner, und man glaubt die gewaltige Stimme der alten Herren der Welt zu hören, die sie erbauten.
In der Revolutionszeit, in jener Epoche, welche sich in dem Nachäffen antifer Formen so wohl gefiel, und deren Daseyn in den Adlern der französischen Heere sich noch verräth, hatte man römische Wettrennen veranstaltet und das Amphitheater zu Nismes in einen Circus verwandelt. Im Stahlstich ist die ludicrose Scene treu verbildlicht. Man mag darüber lachen; doch gibt’s genug zu denken, ein Volk zu sehen, das, nachdem das Heiligste zum Spiel herabgesunken, und kalte Zugluft in jeder Falte seines häuslichen Lebens weht, noch Elastizität genug besitzt, an Göttern- und Heldenspielen der Alten Spaß zu finden. Ein solcher Weg zum Vergnügen wäre in Deutschland wenigstens unter ähnlichen Verhältnissen ganz unfahrbar.
Deutschland hat kein schöneres Denkmal klösterlicher Vorzeit aufzuweisen, als Paulinzelle; und selbst in England, dem an malerischen Abteitrümmern so reichen Lande, sind wenige, welche sich ihm an die Seite stellen lassen. – Diese herrliche Ruine liegt sechs Stunden südlich von Erfurt, eine Stunde von dem Waldstädtchen Königsee, in einem einsamen, tiefen Thale, auf grünen Wiesenmatten, mitten in einem stundenlang sich ausbreitenden Walde von hohen, düsteren Tannen. Unfern davon, bei freundlichen Anpflanzungen und an großen Teichen, gruppiren sich die wenigen Häuser des Dörfchens um das Amthaus und die Försterwohnung. An mehren dieser Wohnungen bemerkt man uraltes, verwittertes Mauerwerk; es sind dieß Substructionen der ehemaligen klösterlichen Oekonomie-Gebäude, welche bei’m Bau des Dorfs und des Amthauses benutzt worden sind.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/175&oldid=- (Version vom 21.11.2024)