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CCCXII. Messina.




Das Paketboot fuhr sehr spät von Reggio ab. Es war der schönste Abend, als es die Meerenge durchschiffte. Der Sirocco wehte nur eben stark genug, um die Segel anzuschwellen und die Strudel der Charybdis, die allein beim Südwind sichtbar werden, anzudeuten. Die Sonne sank hinter den Bergen Siciliens und vergoldete das auf vorspringenden Felsen liegende Schloß von Scylla. Delphine umkreisten in Schaaren das Schiff, wälzten sich im Rad und schnellten sich mit mächtigem Sprunge in die Luft. Der Aetna winkte den Gruß des Wilkommens aus der Ferne, verschwand dann in seinem eigenen Schatten und statt seiner leuchtete die ewigsprühende Flammengarbe des Stromboli den Reisenden durch die sternhelle Nacht. Beim Leuchtthurme (Faro), der an der Spitze des Molo steht, war der Anblick von Messina sehr überraschend. Ich wußte, wie reizend er vom Hafen aus ist, wenn die Morgensonne hinter den calabrischen Gebirgen heraufsteigt und die Forts auf den Höhen und der Stadt obersten Theil vergoldet. Bei Nacht konnte ich nichts erwarten. Aber aus dem Dunkel der Häuserreihen, welche eine über die andere amphitheatralisch und im Halbkreise um den sichelförmigen Hafen sich lagern; aus den Klöstern und Forts auf den Höhen funkelten tausende von Lichtern und die Contour Messina’s lag auf dem dunkeln Grunde wie eine Stickerei mit silbernen Flittern. –

Messina’s Lage war wegen ihrer Schönheit von jeher berühmt. Die Castelle: Gonzaga, Griffona und Salvador; Kapellen, Kirchen und Klöster, einige in Ruinen, schmücken die Berge umher und die Höhenzüge des Hintergrundes, die nicht so fern sind, daß man das Eigenthümliche ihrer Formen nicht genau unterscheiden könnte, sind umwaldet. Ihre grotesken Formen, ihr zerrüttetes Ansehen deuten die Erschütterungen an, die sie zu verschiedenen Perioden erlitten haben. –

Messina ist eine Gründung ionischer Griechen und blühete schon ein halbes Jahrtausend vor der christlichen Zeitrechnung. Carthago zerstörte es zur Zeit des ältern Dionys, der es neu erbaute. Der erste punische Krieg brachte Messina unter die Herrschaft Roms. Nach dem Sturze des Weltreichs mehrmals verheert, erhob es sich doch immer wieder, und im langen Kampfe des christlichen Siciliens gegen die Sarazenen war es diejenige Stadt

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 155. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/163&oldid=- (Version vom 9.11.2024)