Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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Balbecks; an den lichten Tempeln Griechenlands und Roms wie an des Nordens runen-beschriebenen Felsenhäuptern immer das nämliche Symbol – immer das eine Wort. – Stehend im hohen Münster des Mittelalters, dessen Massen, so will es ihn bedünken, Riesen thürmten, während seine Einzelnheiten kunstreiche Zwerge fertigten; stehend im Tempel voll schwebender Lichtgestalten, die in Feuersgluth auf ihn niederschauen, wird er inne, daß vom christlichen Prachtpalast der Gottheit bis zum rohen Altar des Wilden auf Bergeshöhe alles nur eines Triebes, einer Begeisterung Werk ist.
Wer aber lieber am Einzelnen sich erfreuen mag, läßt sich das schöne Cranachsbild an einem der Pfeiler zeigen und den großen Christoph an der Mauer, und die bronzene Statüe des büßenden Kerzenträgers (schön, fast wie eine Arbeit Vischer’s), betrachtet die köstlichen Schnitzereien an den Chorstühlen und steht sinnend an dem Grabsteine mit dem Bilde des gleichenschen Grafen zwischen seinen beiden Frauen, denkend des Unterschieds von Jetzt und Damals, da Roms Schlüssel noch solche Kraft besaß, zu lösen und zu binden. Das lange männliche Gerippe hinter dem Hochaltar, welches lügenhaft als das des Grafen ausgegeben wird, läßt Jedes gern ungesehen. Den Domthurm aber werden alle besteigen, schon um des prächtigen Blicks auf die Stadt und Umgegend, wenn auch nicht um der weltberühmten Susanne willen, der großen Glocke nämlich, die 286 Zentner wiegt, und welche man aus Furcht, der alte Thurm möchte es nicht ertragen, schon lange nicht mehr läutet. – Noch einen Ort nur muß der Leser sehen, und genug dann! – Es ist ein finsteres, ödes Gebäude, wohin ich ihn führe, durch düstere Kreuzgänge fort zu der kleinen, engen Zelle eines Mönchleins, – jenes Mannes sag’ ich, der kühn ein Jahrtausend aus Roms Geschichte riß, um es den Flammen hinzugeben; der seine gute Ueberzeugung hart neben der Unfehlbarkeit auf den Stuhl hinsetzte und zwei Ringe aus der dreifachen Krone brach: – – zur Zelle Luther’s.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/160&oldid=- (Version vom 9.11.2024)