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ihre Erzeugnisse werden unglaublich theuer bezahlt und von den nach einer langen Seereise hier ankommenden Schiffern begierig gekauft. Dieser Verkehr und der Detailhandel in dem luxusreichen Städtchen bilden die Nahrungsquelle der Bewohner. Sie fließt stark genug, Wohlhabenheit allgemein und Reichthum nicht selten zu machen. Getreide und alle sonstige, einen weiten Transport zur See ertragende Lebensmittel werden jedoch hier nicht gebaut. Mehl liefert England; Wein, Branntwein etc. werden vom Cap hergeschafft. Die Anzahl der jährlich auf der Fahrt zwischen Europa und Indien in Helena anfahrenden Schiffe ist 600–700. Die Hälfte sind brittische; die übrigen gehören andern seefahrenden Nationen an.

Das Grab Napoleons, und Longwood, seine letzte Wohnung, liegen etwa 2 Stunden von Jamestown. Da die steilen Klippen, aus denen die ganze Insel besteht, nicht in gerader Richtung überstiegen werden können, so sind die Wege, welche schneckenförmig um die Basaltfelsen herumführen, bergmännisch aus dem Gestein gehauen, dergestalt, daß sie an den Seiten der Abgründe hin eine Schutzmauer von wenigstens 4 Fuß Höhe darbieten. Zwischen pittoresken, finstern Massen, welche durch die hier wirksam gewesenen plutonischen Gewalten sonderbar zerrissen und zerklüftet sind, geht es bergan und bergein. Einzelne Kaktusstauden ranken in den Klüften, hier und da reckt die einsame Aloe ihr hohes Blüthenhaupt empor; sonst keine Spur von Vegetation. Ein schmaler krystallheller Bergstrom springt neben dem Wege hin von Absatz zu Absatz, von Kluft zu Kluft, so eilig, als könnte er nicht schnell genug den kurzen Lauf vollenden. So stürzt sich das Leben rühriger Menschen dem Ocean der Ewigkeit zu.

Auf dem ersten Plateau, eine halbe Stunde über dem Städtchen, hat man Sitze ausgehauen; es ist der erste Ruhepunkt auf der Pilgerfahrt. Der Ausblick von da ist groß und erhaben. Ueber die Stadt weg sieht man die Schiffe auf der Rhede, welche, wie Buchstaben mit dunkeln, unbekannten Zügen, in den glänzenden Horizont eingegraben zu seyn scheinen; und weiter hinaus den unendlichen Ocean, auf dessen grünlichem Blau ein glänzender Duft sich wiegt und ferne Segel wie Möven hinziehen.

Die Fortsetzung des Wegs geht zwischen wilden, schwarzen Lavamassen hinan, die in scharfen Spitzen emporftehen und gegen die sie umgebenden Schluchten steil abfallen. Alles ist öde. Nur hier und da krüppelichte, balsamisch-duftende Kiefern, eine buschigte Zeder, ein üppig rankender, kletternder Kaktus, und weit aus einander, auf dem Gipfel eines Berges oder in einer engen Schlucht gelegen, ein niedriges, unansehnliches Tagelöhnerhäuschen, wo der betriebsame Chinese oder Laskare inmitten der Felder, deren Bearbeitung ihm obliegt, seine Wohnung aufgeschlagen hat. Je weiter bergan, je grandioser wird auch die Felsbildung, und furchtbar hoch ragen manche der schwarzen Spitzen in den lichten tropischen Aether. Diana’s Pik, die höchste, steigt 2697 Fuß über das Meer empor, in dessen Boden ihr Fuß wurzelt. Viele erheben sich 2000 Fuß und darüber. Auf die meisten dieser Kegel führen schmale, schwindelnde Treppenpfade und oben bauten die Britten kleine Warten hin, in denen

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/16&oldid=- (Version vom 24.10.2024)