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CCCVI. Sidney in Australien.




Jede neue Welt, jede neue Zeit, jedes neue Geschlecht, jedes neue Volk, jeder neue Mensch geht von der Wiege aus, und dieß Gesetz erhält die Menschheit in ewiger Jugend. In Asien sind die Völker überreif oder gestorben; die Zeit der Ernte ist da, oder die Früchte sind schon abgenommen, und der europäische Pflug bricht zögernd den Boden um zur neuen Aussaat. Europa’s ältere Nationen im äußersten Süd und West ergrauen und sinken unter der Jahre Last; im Norden aber erfüllt rüstige Manneskraft noch die Völker, und im Herzen des Welttheils steht der germanische Stamm, an dessen weithin schattenden Aesten der Menschheit schönste Blumen erblühen und die besten Früchte zeitigen. Jugend lärmt und schwärmt in Columbus Welttheil; für die Völkersäuglinge ist Australien Wiege, und Embryonen künftiger Zustände, Staaten und Zeiten birgt Afrika in seinem glühenden Gürtel.

Unter allen Erscheinungen der Gegenwart verdient kaum eine so große Aufmerksamkeit und nicht eine wird so große Folgen haben, als die Colonisation Australiens durch germanische Elemente. Sie wird mit jedem Jahre wichtiger, führt mit jedem Jahre neue, unerwartete Erscheinungen herbei, gewinnt mit jedem Jahre größere Fortschritte und äußert jetzt schon Rückwirkungen auf die alte Welt, welche diese nicht geahnet hat. Was sich in Nordamerika in 2 Jahrhunderten langsam gestaltete, ist in Australien in einem einzigen Menschenalter geworden. Die Zeit der Colonisation durch Verbrecher neigt sich für Australien schon zu Ende, und der Strom der freien Auswanderung aus den germanischen Ländern richtet den Lauf nach seinen Gestaden. In England zumal regt sich allenthalben dieser Geist der Vorliebe für australische Ansiedelung, lacht aller Befürchtung und Besorgniß über die Gefahr der langen Reise, und der erwachte Eifer, durch das Gedeihen der bisherigen Versuche ermuthigt, durch die Gesetzgebung begünstigt, durch die Colonisationsgesellschaften gespornt, durch die Fortschritte der Dampfschifffahrt von einem Haupthinderniß befreit, ergreift dort allmählig alles und reißt alles mit sich fort. Schon jetzt reist man von London über Alexandrien und Suez in 45 Tagen nach Calcutta. Die Dampfschiffe, die von Calcutta nach Sidney jeden Monat abgehen, brauchen 14 Tage; in 2 Monaten also kann man auf die bequemste Weise die Ueberfahrt aus Europa nach Australien bewirken, und es bedarf nur einer die Bedürfnisse der Auswanderung berücksichtigenden, erweiterten und geregelten Einrichtung, um die Vortheile der Zeit- und Raumverkürzung auch den Massen der Auswanderer zugänglich zu machen. Zwei Aktienkompagnien in England beschäftigen sich in diesem Augenblick mit dem Bau von

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/129&oldid=- (Version vom 3.11.2024)