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mitten in der Stadt bildet; – und endlich die Bille, ein stilles Gewässer, das aus dem Sachsenwald kömmt und durch fette Wiesengründe sich schlängelt, – bespülen die Mauern Hamburgs, und indem sie einerseits seinen Handel fördern, geben sie der Gegend Reiz, und bieten dem Auge von jeder kleinen Anhöhe der weiten Ebene die heitersten, mannichfaltigsten und grandiosesten Ansichten dar. Das Land weit umher ist fruchtbar und unter der Pflege einer dichten, fleißigen, wohlhabenden Bevölkerung zur höchsten Cultur gediehen. Besonders ist die Marschseite ein Bild der üppigsten Vegetation und manche Flur ein ununterbrochener Garten. Von daher bezieht die Stadt die meisten ihrer Bedürfnisse an Früchten und frischen Gemüsen, während die fetten, weidenreichen Gegenden Holsteins und Mecklenburgs sie mit vortrefflichem Fleisch, Wildpret, Geflügel, Getreide, Butter, Milch, und die Elbe und das nahe Meer – die Nord- und Ostsee – sie mit köstlichen Fischen, Schaalthieren etc. versorgen. Seitdem die Dampfschifffahrt die Küsten der Normandie, von Flandern und Holland, und die Ufer der Ober-Elbe so zu sagen vor Hamburgs Thore gerückt hat, tragen jene Gegenden mit dazu bei, Hamburgs tägliche Bedürfnisse zu befriedigen.

Hamburg nimmt, obschon gegenwärtig von seinem Festungsgurt befreit, den für seine Volksmenge (140,000 Einw. in etwa 9000 Häusern) und seinen unermeßlichen Verkehr sehr kleinen Raum von einer Quadratstunde ein. Westwärts die Elbe hinab kann es sich nicht ausstrecken; denn dort stößt es auf dänisches Gebiet und auf Altona, die Schwesterstadt; landeinwärts aber baut sich wohl der Luxus an, nicht das Bedürfniß. Dieses behilft sich mit der Masse der Einwohner in seinen engen, oft unbequemen und ungesunden Wohnungen lieber, als daß es sich von der Quelle des Verdienstes weiter entfernte. – Aus dem Vorgesagten folgert von selbst, daß die innere Physiognomie der Stadt nicht durchgängig schön seyn kann. Das alte Hamburg, der Mittelpunkt des lebendigsten Handelsgewühls, trägt in seinen, den Ueberschwemmungen ausgesetzten, tief liegenden und schmutzigen Gassen mit den finstern, himmelhohen Häusern noch das Gepräge vergangener Jahrhunderte, und wenn auch hie und da neue Häuser an die Stelle der baufälligen im Geschmack der Gegenwart erstehen, so dienen diese doch weniger dazu, die Ansicht zu verschönern, als das Häßliche noch bemerklicher zu machen. Die Neustadt hingegen gehört unter die schönsten Städte der Erde. In ihren breiten regelmäßigen Straßen und Plätzen reihen sich die Palläste der reichen Kaufherren an einander, und der ehemalige Wall mit seinen Anlagen umwindet diesen Stadttheil gleich einem Kranz. Der alte und neue Jungfernsteig, welche das Bassin der Binnenalster umgeben, die Esplanade mit ihren Häusercolossen, in welchen überschwenglicher Reichthum, mit Pracht und Geschmack gepaart, wohnen, würden jeder Königsresidenz Ehre machen, und sie erregen um so eher die Bewunderung des Fremden, je weniger er in dem als schlecht gebaut verschrieenen Hamburg auf einen solchen Anblick vorbereitet war. Unter den öffentlichen Gebäuden sind dennoch wenige, welche Anspruch auf architektonische Schönheit haben. Als bemerkenswerth treten hervor: die Hauptkirche der Stadt, St. Michael, mit einem der höchsten Thürme (450 Fuß

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/106&oldid=- (Version vom 28.10.2024)