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CCLII. und CCLIII. Der Trollhätta- und Göta-Canal.




Skandinavien ist ein classisches Land der Großthaten und noch jetzt erscheint der Schwede, der Norwege, im Kampfe mit den Elementen, in den Nationalwerken, in der beharrlichen Ueberwindung großer Hindernisse, wie ein Wesen von fast übermenschlicher Kraft. Die Beschreibungen der Eisengruben von Dannamora, der Kupferbergwerke Fahlun’s etc. etc. füllen uns mit Staunen; die prächtigen, über das ungünstige Terrain das Reich auf hunderte von Meilen durchkreuzenden Heerstraßen und Canäle aber scheinen das Werk von Giganten. Großartigkeit der Idee stempelt diese Werke und unsere Bewunderung derselben steigt auf’s Höchste, wenn wir erwägen, daß sie einem rauhen, öden, armen, schwachbevölkerten Lande angehören, das von der übrigen Welt fast abgeschieden ist und den Nachtheil eines kalten Klima’s mit dem eines undankbaren Bodens vereinigt. Die Menschen, welche jene colossalen Werke des öffentlichen Nutzens ausführten, leben auch nicht eng bei einander, zur leichtern Vereinigung der Kräfte; sondern größtentheils in engen Felsenthälern zerstreut, wo die Sonne kaum 3 Monate im Jahre das vegetabilische Leben nährt, wo der Fleiß nur mit der größten Anstrengung dem Boden die unentbehrlichen Lebensbedürfnisse abringen kann, wo die Kartoffel nur die Größe einer Wallnuß erreicht, wo der Roggen öfters zwei Jahre zur Reife braucht, wo nur alle drei Jahre auf eine gute Aerndte zu rechnen ist.

Aber je spärlicher die Allmacht die Gaben der unorganischen Natur manchem Lande spendete, um so reicher ist in manchen Fällen das Volk mit der geistigen Kraft ausgestattet, welche mit verdoppelter Anstrengung der Natur den Tribut abzuringen weiß, den freiwillig zu geben sie versagt. So sehen wir die Thätigkeit der Menschen in südlichern Himmelsstrichen, bei schwelgender Produktenfülle, so häufig erschlafft, während der Bewohner des Nordens, von Kälte und Mangel umringt, mit Muth das Schwerste unternimmt und beharrlich vollendet. Noth weckt und nährt die Kraft; Ueberfluß verzehrt sie: – das ist wahr, bei den Einzelnen, wie bei Völkern. –

Der Göta-Canal nimmt unter den größten, gleichartigen Werken Europa’s die erste Stelle ein. Selbst das Wunderwerk der neuen Welt, der Erie-Canal, übertrifft ihn nur an Länge, und kommt ihm an Größe der Idee nahe; aber er kann sich weder an Kühnheit der Ausführung mit dem Göta-Canal messen, noch sich mit diesem in Betreff der Schwierigkeiten vergleichen, welche bei dem Bau zu überwinden waren.

Die Idee des Göta-Canals ist der Vaterlandsliebe und dem Nationalstolze der Skandinavier frühe entsprossen. Zu wissen, daß Dänemark, Herr des Sunds, auch Herr des Zugangs nach Schweden’s Häfen sey, daß folglich in Danemark’s Macht es stehe, zu jeder Stunde den Handel Schweden’s zu vernichten und die Erwerbsquellen des

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/91&oldid=- (Version vom 19.11.2024)