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Die Veste Spielberg liegt dicht an den Mauern von Brünn, auf einem Berge, der sich von der Stadt gegen Abend erhebt. Die Gegend weit umher prangt im schönsten landschaftlichen Schmuck. Ehemals war das Schloß die Residenz der mährischen Fürsten; jetzt ist’s das berüchtigtste Zuchthaus der österreichischen Monarchie. Gegen 300 Gefangene, meistens unverbesserliche Räuber und Mörder, sitzen gefesselt in seinen Gewölben, größtentheils zu harter und härtester Kerkerstrafe auf’s ganze Leben verdammt.

Die Kerker sind Zellen, entweder gesprengt in den lebendigen Fels, oder eingebaut in die ehemaligen Kasematten. Die meisten der Verurtheilten, die den Schloßberg hinan steigen, erblicken auf diesem Wege Gottes Himmel und seine schöne Erde zum Letztenmale. Die nächste Stunde findet sie lebendig – im Grabe.

Werfen wir einen Blick in eines jener tiefsten Gewölbe, wo der zu härtestem Gefängniß Verurtheilte haust! Unser Begleiter ist der Kerkermeister, ein alter, auf Schlachtfeldern gefühllos gewordener Krieger. Versehen mit einem rostigen Bund Schlüssel, führt er uns durch enge, finstere Gänge und auf schmalen, zwischen triefendem Gemäuer hinabführenden Wendeltreppen zu einer Art Vorhalle. Kleine, niedrige Thüren stoßen auf dieselbe und jede ist verwahrt mit drei starken, von Rost überzogenen Schlössern und Riegeln. Mühsam und rasselnd öffnet er eine solche Pforte, während innen dumpfes Kettengeklirr tönt. Wir treten ein. Ewige Finsterniß scheint in dieser schrecklichen Höhle zu wohnen, aus welcher Gestank und Modergeruch uns entgegen dringen; und erst nach einigen Sekunden werden wir den rothen Schein einer Lampe gewahr, die oben an der Decke hängt und ein schauerliches Zwielicht auf die Gegenstände wirft. Auf einer von Würmern zernagten, aus dicken Bohlen roh zusammen gefügten Bank, dem ganzen Mobilar, sitzt eine hagere, hohläugige Figur, angethan mit einem groben Kittel; neben ihr, auf der Bank, steht ein Krug mit Wasser. Um den Leib trägt sie einen eisernen, zusammen geschmiedeten Gurt, an welchem das eine Ende einer 9 Fuß langen Kette befestigt ist, dessen anderes mit einem in die Mauer eingegossenen starken Ringe in Verbindung steht. Die Kette ist gerade lang genug, um 3 Schritte neben der Bank hin und her zu gehen, welche dem Gefangenen Tisch, Stuhl und Lagerstätte zugleich ist. Seine Nahrung besteht in Brod und Wasser. In diesem entsetzlichen Aufenthalte sieht der Sträfling außer dem Kerkermeister, der täglich zweimal kömmt und geht, keinen Menschen, wenn nicht zuweilen ein visitirender Commissair, oder der Arzt, oder ein zum Besichtigen der Gefängnisse zugelassener Fremder in seine Zelle tritt, was oft im ganzen Jahre nicht geschieht. Der Kerkermeister hat nicht das Recht, die Lage der Gefangenen erträglicher zu machen; aber er hat die Macht, den geringsten Fehler gegen die Zuchtordnung, die kleinste Unfolgsamkeit strenge zu bestrafen. Der Gebrauch dieser Gewalt läßt sich denken. Viele der Verbrecher sterben in den ersten 10 Jahren ihres hiesigen Aufenthalts. Doch hat man auch Beispiele von starken Naturen, die vierzig Jahre ausgedauert haben.

Hören wir die Geschichte dieser Gefangenen, dann erstaunen wir über die Masse des hier eingeschlossenen Talents, und es drängt sich unwillkührlich die Frage auf, woher der entsetzliche Mißbrauch glänzender Fähigkeiten komme, welcher eine solche Menge von der Natur reich ausgestatteter Menschen in diese Räume geführt hat.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/84&oldid=- (Version vom 18.11.2024)