Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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Die Gefahr dieser Periode des allgemeinen Gährens und Brausens – des allseitigen Drängens zum Umformen und Neugestalten ist allen Regierungen Europa’s bekannt und wird von vielen überschätzt. Es ist eine gemeinsame Gefahr; daher haben sie sich auch eine gemeinschaftliche Aufgabe gestellt: die Pazifikation des Welttheils. Dieser Vorsatz, an sich sehr lobenswerth, (denn was kann erwünschter seyn, als die Erhaltung des Friedens?) begegnet in der Ausführung jedoch großer Schwierigkeit.
Noch gährt und braust es in vieien Ländern, und die Elemente der Zwietracht zwischen Gewaltigen und Gehorchenden sind noch nicht überall ausgetilgt. Auch die dazu dienenden Maßregeln diktirt nicht überall die Weisheit. Ich will nicht von Deutschland reden. Seinen Grenzen aber ganz nahe sehen wir in Nordost unbarmherzig die Vollstreckung eines Plans verfolgen, dessen Beweggründe von dem traurigsten Irrthum eingegeben zu seyn scheinen. Wie auch das furchtbare Experiment endigen mag, jener mächtige Staat, der es versucht, wird doch immer nur sich einen Todfeind im eigenen Hause gemacht haben, den keine späteren Wohlthaten versöhnen können, und der ewig nur auf die Gelegenheit lauert, zu vergelten, was an ihm verübt wird. –
An den entgegengesetzten Marken wohnt eine Nation, als Volk vielleicht nicht weniger unzufrieden, als jenes. Man gedenkt seiner freilich lange schon nicht mehr als Volk, und ist gewohnt, den Namen weniger mit Theilnahme, als mit Verachtung zu nennen. Und doch zählt dies Volk zwanzig Millionen!
Große Erinnerungen leben in ihm und stacheln es auf – und viele Herzen schlagen dort für eine Aenderung der Dinge. Die vielen Versuche in den letzten zwei Dezennien geben davon die Beweise. Sie sind unterdrückt; doch des Italieners lebhafte Phantasie malt gern die Hoffnungen, deren Verwirklichung die Gegenwart versagt, an den Vorhang der Zukunft, und denkt sich seine Traumbilder nur zu gern als Wirklichkeit, die ihn um so mächtiger verlockt, je mehr er seine Existenz im Contrast mit derselben fühlt. Auf dem fruchtbarsten Boden und unter dem mildesten Himmel sieht er sich arm, unter allen Erzeugnissen der Natur ohne reiche Industrie, mit allen Uebertragungen eines glänzenden Geschicks ohne politische Bedeutung. Diese gefährlichen Elemente sind in allen italienischen Staaten die nämlichen; aber im deutschen Italien, dem Oesterreichs Scepter gehorchenden Lombardisch-Venetianischen Königreiche, tritt noch hinzu die Gegenwart einer fremden Regierung und fremder Waffen. –
Wenn es dennoch dem österreichischen Gouvernement gelungen ist, die Ruhe in seinen italienischen Staaten, und nach so heftigen Erschütterungen, binnen einer kurzen Reihe von Jahren wieder in dem Maaße herzustellen und zu befestigen, daß es die Kerker öffnen und die Häupter der revolutionairen Bestrebungen in die Arme ihrer Familien zurückführen, die Verbannten und Flüchtlinge in die Heimath zurückrufen konnte, wie dieses durch den großen Akt einer vollständigen Amnestie vor Kurzem geschah, – so gab es der Welt damit das merkwürdigste und ehrendste Zeugniß von seiner staatlichen Verwaltung und seiner Staatsweisheit. – In Spielbergs dunkeln Kerkergewölben modern jetzt keine Unglückliche mehr, welche den Irrthum und die Liebe für Vaterland und Freiheit gleich Mördern büßten; sie sind nur noch die Wohnung des gemeinen Verbrechens. –
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/83&oldid=- (Version vom 18.11.2024)