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aber grandiosen Natur raubte, durch die ich wanderte. Nach 8stündigem, rastlosem Steigen öffnete sich endlich die finstere Schlucht, welche uns einschloß, zu einem kleinen Thalkessel, und das Freudengeschrei der Hindus zeigte mir an, daß wir uns am Ziele unserer Wanderung befanden. Nie vergesse ich den Anblick. Thurmhohe Felsenwände umschlossen das Thal, durch das der heilige Strom, vom Grün der schönsten Wiesen eingerahmt, silberhell dahinbraust, und an den Felsen selbst rankte und zweigte üppiger Baumwuchs. Im Hintergrunde aber erhob sich die Welt des Himalajah, ein Heer weißglänzender, oder röthlich schimmernder Pyramiden und Obelisken, nur der Phantasie zugänglich, gröbern Organen aber zurufend: – bis hierher und nicht weiter! – Die heiligen Quellen entspringen unter einem Gletscher, der, wie ein krystallener Vorhang, über Felsenmassen herabhängt. Die größern sind eisig-kalt, die kleinern siedend-heiß und gewaltige Dampfwolken von sich stoßend. Dieses wunderbare, in der Welt einzige Naturspiel haben die Brahminen schlau genug ausgedeutet. Gott der Vater, sagen sie, bereitete den Frommen dieß warme Bad, sie um so gewisser und vollkommener vom Schmutze der Sünde zu reinigen.

Jeder Pilger bezahlt, bevor er zum Baden gelassen wird, eine festgesetzte Steuer, zu der sich freiwillige Opfergaben Derjenigen gesellen, welche noch besondere, sündenreinigende Gebete von den Brahminen verlangen. Die Zahl der Pilger ist manchmal in einem Jahre hunderttausend, welche sich auf die vier Sommermonate vertheilen, da in der Regen- und kalten Jahreszeit die Wege unzugänglich sind; denn die Quellen sind an der Grenze des ewigen Schnees und ihre Höhe über der Meeresfläche 11,800 Fuß.




CCLI. Der Spielberg bei Brünn.




Europa schreitet rasch, schreitet unaufhaltsam auf der Bahn der Vervollkommnung fort. Kaum vermag der Gedanke dem Strome zu folgen in seinem gewaltigen Laufe. Das Daseyn von Zuständen, Erfindungen, Methoden, Systemen, ist ein Leben von heute auf morgen. Beinahe jeder Tag erzeugt die Keime von Revolutionen im Wissen und Können, in Begriffen und Zuständen, und deren Entwickelung ist so rasch, daß sie schon einige Jahre nachher der Geschichte anheim fallen, um andern, noch mächtigern Veränderungskeimen Platz zu machen.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/80&oldid=- (Version vom 18.11.2024)