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ein Wegweiser. An heitern Abenden, wenn Dunkel schon das Meer umhüllt, flammt sein Gipfel noch in der Abendsonne, und der Bergriese erscheint dann wie ein wirklicher Leuchtthurm, herrlich über alle Beschreibung und seines Baumeisters würdig.




CCL. Die Quellen des Jummna
im Himalajah.




[1]„Lange schon war es mein Wunsch, diesen berühmten Wallfahrtsort der Hindus zu besuchen, den die Brahminen heiliger halten, als die römischen Priester unser Lieben Frauen Haus in Loretto. In Kursalee, dem nächsten Flecken, traf ich meinen Freund, den General Elliot, der denselben Wunsch äußerte, und wir machten uns, in Begleitung einiger Diener, den nächsten Tag auf den Weg. Der Jummna ist ein reißendes Bergwasser, das sich zwischen starren, bemoosten Felsen und tiefen Schluchten hindurch drängt, und auf seinem Laufe häufig Wasserfälle bildet. Ein schlechter, oft gefährlicher Pfad windet sich an den jähen Abhängen hin, und nur selten hat man einen Blick in’s Freie. Erdbeeren, Himbeeren, verschiedene Brombeer-Arten, langgenadelte Kiefern, einige Straucharten und wunderliche Schlingpflanzen machen die eben nicht reiche Vegetation dieses Himmelsstrichs aus.

Immer steiler wurde das Ansteigen, immer beschwerlicher, ermüdender und gefährlicher. Auf schmalen, schwankenden Bastbrücken passirten wir schwindelnde Abgründe; vor uns und hinter uns zogen lange Schaaren von Pilgern, baarfuß und dann und wann einen Gesang anstimmend, Klagetöne, wodurch uns das Ganze vorkam, wie ein Leichenzug. Immer enger wurde die Schlucht, immer dunkler; immer dichter die Menge durch den Zuwachs, den sie von den Gebirgspfaden erhielt, welche von vielen Seiten her sich mit unserm Weg vereinigten. Endlich bot sie eine dichtgedrängte Colonne dar, und ich gestehe Dir, daß mir diese allzunahe Gemeinschaft mit den schmutzigen und übelriechenden frommen Brüdern als das Widrigste in der ganzen Parthie vorkam, und es mir allen Genuß der starren und ernsten,


  1. Tagebuch einer Reise in den Himalajah. London 1839.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/79&oldid=- (Version vom 2.10.2024)