Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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als dem Zweck einer heuchlerischen Politik es frommte, dem belgischen Industrieleben plötzlich Blut zu lassen bis auf den Tod. Cockerill und die belgische Industrie aber sind eins. Der Schlag, den man dieser beibringen wolte, mußte jenen treffen. Das will freilich der gemeine, lästerliche Sinn nicht fassen und anerkennen. –
Der Quantität nach reiht sich in der Eisenproduktion an England Frankreich zunächst. Es hat seine Eisenerzeugung seit 10 Jahren verdoppelt und auf 11 Millionen Centner gebracht. – Dann kömmt Rußland mit 7 Millionen Centnern, Deutschland mit 6, das aber 8 verbraucht und das Doppelte hervorbringen könnte, wenn es die Erzschätze überall zu nützen verstände, die der Schöpfer in den Schooß seiner Gebirge gelegt hat. – Zunächst folgt Schweden. Es schmilzt jährlich 2 Millionen Centner, und dieses Eisen ist das beste in der Welt.
Die Gruben zu Dannemora sind durch den ganzen Norden, sowohl in Bezug auf Größe, als auf Ergiebigkeit, seit zwei Jahrhunderten berühmt. Sie liegen in der Provinz Upsala-Lehn, in einer öden und felsigen Gegend, in der man, nach den gewöhnlichen Begriffen, Bergbau am wenigsten vermuthen sollte. – Denke dir eine von düsteren Kiefernwäldern umgebene, wüste Ebene. Hier und da steigen wunderlich gestaltete Gerüste empor, beräucherte Hütten und niedrige Wohnungen, einzeln, oder zu zwei und drei bei einander liegend, stehen zerstreut umher; Rauchsäulen wirbeln auf, als kämen sie aus der Tiefe. Dein Weg geht an einigen Pferdegöpeln vorüber, von denen knarrendes Gestänge in weite Entfernung hinführt. Angelangt bei der Grube siehst du dich am Rande eines furchtbaren, mit schwarzen, senkrechten Wänden zu einer schauerlichen Tiefe hinabführenden Kraters. Bebend blickst du hinein; eine weißlich-flimmernde Decke auf dem Boden scheint dir funkelndes Erz zu seyn. Aber es sind Schnee- und Gletschermassen, welche in dieser Tiefe niemals schmelzen. An den Wänden der schwarzen Gruft gaffen die Mundlöcher tiefer Höhlen. Schwarzer Qualm dringt aus ihnen hervor; dann und wann dunkelrothe Flammen. Das grelle Licht, das diese um sich verbreiten, zeigt dir ein Gewimmel von Pygmäengestalten, in den Seitenhöhlen, wie in der Tiefe; viele stehen auf Leitern, oder sitzen auf queer vor den Wänden hängenden Balken; alle arbeiten ämsig am festen Gestein. Rings um den Krater her knarren die Roßkünste, ächzen die langen Feldgestänge, und wenn ihr betäubendes Geräusch einen Augenblick ruht, werden aus der Tiefe die zahllosen Hämmer hörbar, wie fernes Pferdegetrappel in todtenstiller Nacht. An aus dem weiten Schlund überhängenden hohen Gerüsten rasseln unaufhörlich die erzgefüllten oder geleerten Tonnen an rostigen Ketten auf und nieder, und Erzwägen, nachdem sie den Inhalt der gefüllten Tonnen in sich aufnahmen, fahren auf den mit Eisen beschlagenen Holzbahnen pfeilschnell zur Ladestätte herab, wo Karren an Karren sich drängen, und ein geschäftiges Leben anderer Art sich zeigt. Noch nimmt der ungewöhnliche Anblick deine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch; da schlägt es auf dem höchsten der Gerüste, die den Abgrund umgeben, von einem kleinen Glockenthurme eins – zwei. Bei diesem Signal verändert sich die Scene. Die Tonnen, welche bisher mit Erz gefüllt waren, tragen lebendige Lasten herauf. Männer, Weiber und Kinder, je drei auf dem Rande einer Tonne stehend, und sich mit der einen Hand an der Kette
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/43&oldid=- (Version vom 14.11.2024)