Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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innern Schachtwänden hängen, um in eine andere Gallerie zu kommen. Die Kleinheit der Figuren verräth die ungeheuere Tiefe. Sie ist vom Rande des Schachtes bis zur Sohle 75 Lachter: folglich mehr, als von der Spitze des Straßburger Münsters bis zu seinem Fundamente. Das Rasseln der Ketten, das Stöhnen der Pumpen, das Knarren der Kunstgestänge, das Halloh der Bergleute, das Krachen des Gesteins, das Rauschen der Wasser, das Trappeln und Wiehern der Göpelpferde, und das unaufhörliche Klopfen und Klingen der Schlägel und Eisen (der Hämmer und Keile) machen eine gräßliche Musik, welche durch das Rollen des unterirdischen Donners, wenn die Felsen mit Pulver gesprengt werden, von Zeit zu Zeit unterbrochen und übertäubt wird. Unwillkührlich denken wir an die Worte des englischen Dichters:
Herzklopfend rüsten wir uns zur Reise in diesen schwarzen Abgrund. Die Fahrten (Leitern), anstatt wie in unsern Bergwerken am Harz und bei Freiberg, auf Platforms zu ruhen, welche bei einem möglichen Ausgleiten den Fallenden verhindern, den ganzen Abgrund hinabzustürzen, sind hier in einer ununterbrochenen Folge an einander gehakt. Nicht überall ist die Schachtwand senkrecht; manchmal hat sie große Unebenheiten, und dann liegen die Leitern schief, oder hängen eine Strecke lang ganz frei im Schacht, so daß sie bei jeder Bewegung des Fahrenden hin und her gleiten und wanken. Doch ist kein anderes Hinabkommen möglich: und da sich selten Jemand, der nicht zur Grube gehört, hinab wagt, so sind jene Einrichtungen, welche man in öfterer besuchten Bergwerken für das bequeme und sichere Fahren der Fremden anzutreffen gewohnt ist, hier unbekannte Dinge. Nicht ohne Entsetzen bemerken wir beim matten Schein unserer Grubenlichter, daß manche der Leitern gebrochen, oder faul, und nur mit Stricken und eisernen Bändern nothdürftig zusammen gehalten sind; und um unsere Furcht auf’s Höchste zu steigern, tropfen in größerer Tiefe die Sprossen von eiskaltem Wasser, welches die sich ängstlich anklammernden Hände erstarren macht, und dem Fuß keinen festen Tritt erlaubt. „Achtung!“ ruft von Zeit zu Zeit der Führer, wenn eine besonders gefährliche Stelle zu passiren ist; und dabei nimmt er Anlaß, die Unglücksfälle zu erzählen, die auf solcher sich schon zugetragen. „Fest gehalten und rechts hinüber gelehnt! Erst vor acht Tagen ist hier ein Häuer gestürzt, der nicht aufgepaßt.“ – „„Gestürzt? und was ist aus ihm geworden?““ – „Geworden!“ antwortet der Führer, ohne den Ton zu ändern: „Brei, purer Brei!“ –
Endlich verläßt der Fuß die letzte Sprosse, und mit einem Gottlob! und dem Seligkeitsgefühl überstandener Gefahr fühlen wir wieder den festen Boden. Aber auf dem kalten, nassen Kothe der Schachtsohle ist kein Ausruhen; hastig treibt der Führer durch winkliche Strecken, auf deren Boden tiefe Pfützen stehen, der Gegend zu, wo der Donner seinen Ursprung zu haben scheint, der von Zeit zu Zeit betäubend durch die labyrinthischen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/29&oldid=- (Version vom 28.9.2024)