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Nochmals befiehlt ein jeder seine Seele und den Leib auf seinen gefährlichen Wegen dem Gebieter über Leben und Tod aller Menschen, und gestärkt und voll Vertrauen fährt er nun, unter dem schwachen Schein eines Hellerlichts, auf schwanker, zerbrechlicher Fahrt hunderte von Ellen in finstere Tiefen hinab. Auf großen und tiefen Gebäuden muß er, wohl stundenlang, bald senkrechte Schachte hinunterklimmen, bald auf horizontalen Gängen, die sich labyrinthisch durchkreuzen, sich zurechtfinden, bis er endlich den Ort erreicht, wo die eigentliche Arbeit beginnt. Hier „vor Ort“, eng eingeschlossen vom unterirdischen Gestein, fängt er, zusammengekauert, oder knieend, in der unbequemsten Stellung, seine saure und Geduld-prüfende Berufsarbeit an. Oefters ist das Gestein so fest, daß der härteste Stahl nichts über dasselbe vermag und es nur durch das gefährliche Sprengen mit Pulver bezwungen werden kann. Er bohrt im Schweiße seines Angesichts ein Loch in den Felsen. Lange bohrt er, vielleicht eine ganze Schicht lang; endlich ist es tief genug. Voller Hoffnung auf des Pulvers Wirkung schiebt er die Patrone hinunter und besetzt den Schuß mit aller Vorsicht. Ist alles in Ordnung, so ruft er: – es wird angesteckt! – ein Zeichen für die in der Nähe arbeitenden Bergknappen, ihre Stellen zu verlassen und sich vor dem entzündenden Schuß in Sicherheit zu setzen. Behutsam steckt er hierauf mit seinem Lichte den Schwefelfaden an, der mit der Patrone in Verbindung steht, und eilt schnell in ein sicheres Versteck, die Explosion zu erwarten. Die Zeit, binnen welcher der Schuß gewöhnlich geschieht, vergeht; er wartet geduldig eine halbe Minute länger; da kommt ihm der Gedanke bei, der Schuß habe versagt; und beherzt tritt er hervor, um von neuem anzustecken.

Und hier ist nun der Endpunkt seines Lebens, das traurige Ziel seiner Schichten; denn indem er sich nähert, geht der Schuß los und das zersprengende Gestein zerreißt ihm den Leib. Schaudernd finden ihn die Mitarbeiter in seinem Blute liegen. Zitternd bei der Vorstellung, daß sie der nämlichen und vielen andern Gefahren täglich unterworfen sind, schicken sie Einen fort, um es im Bergamt zu melden, damit der Verunglückte besichtigt und aus der Grube geschafft werde. Ein Anderer eilt zum Bergkaplan, damit dieser der Wittwe die Schauernachricht hinterbringe und sie mit dem Troste der Religion aufzurichten suche. Wie das junge, auf den Gatten sehnsüchtig harrende Weib erblaßt, als es den Geistlichen, im schwarzen Amtsgewande, ihrem Häuschen zuschreiten sieht! Wie es verzweifelt, wenn man die Leiche ihres zerschmetterten Gatten auf schwarzer Bahre in das Stübchen bringt! Wie die Kinder mit Heulen und Schreien zu der Bahre stürzen, des Vaters liebes Angesicht zu sehen, das, unkenntlich und gräßlich entstellt, ihnen nur Entsetzen einjagt! Wer möchte das Jammerbild ausmalen?

Ein solches Schicksal, oder doch ein ähnliches, erwartet aber den Bergmann so häufig, daß er sich immer darauf gefaßt machen sollte. Steckt auch nicht immer ein so plötzlicher Tod seinem Leben das Ziel, kann er doch einer Menge anderer Feinde nicht entgehen, welche ihm auf seinem Berufswege begegnen und die an seinem Leben nagen. Schon als Knabe, am Waschtrog und an der Scheidebank, nimmt er die Keime zerstörender Uebel in sich auf, und die vergifteten Dünste, welche er später in der Grube einsaugt, der Staub von der Arbeit auf trocknem Gestein, besonders

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/27&oldid=- (Version vom 11.11.2024)