Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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in Schweden.
Der Pabst Alexander der Sechste verschenkte mit einem Federzuge die neue Welt, als wäre sie menschenleer. Die alte Welt wurde nicht verschenkt; sie wurde, mit allen ihren Genüssen, die Beute der Stärkern. Der Gewaltige riß an sich, was er zu ergreifen und zu behaupten vermochte. Damit aber der Krieg nicht ewig währe zwischen Dem, der was hat, und Dem, der nichts hat, und damit der errungene Besitz auch in Sicherheit genossen werden könne, zog man den schützenden Zaum des Gesetzes um der Besitzer Habe, und Wissenschaft und Himmel drückten später das Siegel der Unfehlbarkeit darauf. Die Gegenwart hat nichts verschuldet, wenn die Theilung ungleich war. Es ist ein Erbe der Vergangenheit und unabänderlich; denn die Zeiten der Solone und agrarischen Gesetze sind nicht die unsrigen.
Arbeit fristet das Leben; – Millionen unserer Brüder gibt sie nicht mehr; und niemals mehr dem Stande des Bergmanns. Für einen Lohn, der kaum hinreicht, das Leben zu stunden und dessen unabweisliche Bedürfnisse zu befriedigen, vollbringt er unter beständigen Gefahren, in den dunkeln Eingeweiden der Erde, sein saures Tagwerk. Die Gewohnheit allein ist seine barmherzige Göttin; mildernd und ausgleichend versüßt sie des Armen Loos, und läßt ihn ein Geschick leicht tragen, gegen welches das manches Lastthiers beneidenswerth erscheint. Die Gewohnheit macht den Bergmann eben so gleichgültig gegen die Gefahr, wie gegen die harte, beschwerliche Arbeit. Munter springt er am frühen Morgen, ehe noch der Hahn kräht, bei dem Auf! Auf! seiner vorüberziehenden Kameraden vom harten Nachtlager empor, dankt seinem Gott für das Gefühl der Arbeitstüchtigkeit, wirft sich in seine Fahrkleider, hängt seine Grubenlampe an, umarmt sein treues Weib, das ihm ein Säckchen reicht mit dem Stück schwarzen, trocknen Brod, und unter dem Nachruf: komm gesund wieder! verläßt er seine armselige Wohnung, die er mit Frau und Kindern dem lieben Gott befiehlt. So geht er, vielleicht mitten im Winter, bei finsterer Nacht, im tiefen, ungebahnten Schnee, 2 Stunden und weiter, in’s Gebirge, oder nach dem Waldwinkel, wo seine Grube liegt. Ermüdet und erstarrt tritt er in das Zechenhaus, wo er die in gegenwärtiger Schicht anfahrende Mannschaft zum Gebet versammelt findet. Bei den flimmernden Grubenlichtern liest der Steiger in dem unwirthlichen Raume das Gebet; dann stimmen alle dem obersten Bergherrn einen Lobgesang an, und knieend sprechen sie leise das Vater Unser.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/24&oldid=- (Version vom 11.11.2024)