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CCXXXVIII. Olmütz in Mähren.




Den malerischen Ufern des Constanzer See’s entrückt, erfreut uns ein liebliches Bild aus Mährens fruchtreichen Ebenen, das von des Landes uralter Hauptstadt. Es gab eine Zeit, da Olmütz der Sitz eines mächtigen Reichs war. Vom 6. bis 9. Jahrhundert besaß Mähren eigene Könige, und südwärts bis tief in Ungarn, ostwärts bis zur Weichsel, und nördlich bis in die Mitte Böhmens und Schlesiens erstreckte sich ihre Herrschaft. Erst an der Carolinger Uebermacht brach sie und im 10. Jahrhundert theilten sich Oesterreich und Böhmen in die Trümmer. Seitdem bildete das eigentliche Mähren, als Markgrafenthum, ein Lehn der Krone Böhmen, deren Schicksale es theilte, bis beide (1526) an das Haus Oesterreich fielen. Eine Zeitlang gestattete zwar Oesterreich Mähren noch eine gewisse Selbstständigkeit; doch schon 1619 hob es die Markgrafenwürde auf, und seitdem wird das Land (das auf 500 □Meilen etwa 2¼ Mill. Einw. zählt) durch eine Provinzial-Regierung verwaltet, die in Brünn ihren Sitz hat. Olmütz, obschon an Größe und Wohlhabenheit dem gewerbfleißigen und blühenden Brünn weit nachstehend (Brünn hat 40,000, Olmütz 12,000 Einw.), ist doch sehr stattlich und, in Ansehung seiner Größe, reich an schönen Kirchen und öffentlichen, ausgezeichneten Gebäuden. Der Pallast des Fürst-Erzbischofs ist einer der herrlichsten Sitze deutscher Kirchenfürsten, und die Einkünfte des Domkapitels sollen sich auf 600,000 Gulden belaufen. Die hiesige, 1827 in verbesserter Gestalt wieder hergestellte Universität wird wenig besucht. Neben dieser hat Olmütz einen Cyklus höherer Unterrichtsanstalten: ein erzbischöfliches Seminar, Akademie, Gymnasium, Cadetten- und polytechnische Schule. Ein recht hübsches Theater und die erzbischöflichen reichen, literarischen, artistischen und naturhistorischen Sammlungen, jedem Gebildeten zugänglich, sorgen für die bessere Unterhaltung und allgemeine Verbreitung nützlicher Kenntnisse und eines guten Geschmacks. – Außer dem erzbischöflichen Pallaste sind die uralte Domkirche, die Moritzkirche, das prächtige Rathhaus sehenswerthe Gebäude, und die mit Statuen gezierte, 114 Fuß hohe Dreifaltigkeitssäule auf dem einen der beiden Märkte ist berühmt. Als Waffenplatz endlich gehört Olmütz unter die stärksten der österreichischen Monarchie.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/23&oldid=- (Version vom 11.11.2024)