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Bevor wir die nächsten Umgebungen Salzburgs betrachten, fesselt das Siegmundsthor unsere Aufmerksamkeit. Ehedem sperrte eine Wand des Mönchbergs hier den Zugang zur Stadt. Der Fürsterzbischof Siegmund ließ ein 39 Fuß hohes und 22 Fuß breites Gewölbe, 415 Fuß lang durchbrechen und durch den besten Bildhauer damaliger Zeit verzieren. Ueber dem Ausgange steht in einer Blende die colossale Statue des heil. Siegismund (von Hagenauer) aus weißem Marmor. Das Ganze ist ein Riesenwerk und dem großen Charakter der Umgebung würdig. – Von den nächsten Parthien sind das jetzt kaiserliche Luftschloß Mirabella mit den schönen Gartenanlagen, und der Rosenegger’sche Park am Bürgelstein (berühmter Fundort römischer Alterthümer) vielbesuchte Punkte; mehr als Alles aber zieht die ehrwürdige Hohensalzburg an, die auf dem 500 Fuß hohen Haupte des Mönchbergs wohlbehalten steht. Diese Burg ist die uralte Residenz der Fürst-Erzbischöfe, und ihre Umwandlung in eine Festung gehört einer viel spätern Zeit an. Herrlich und über alle Beschreibung erhaben ist die Aussicht von ihrer höchsten Warte. Der ganze Salzburger Kreis thut sich auf, der, von zahlreichen Thälern durchschnitten, eine ununterbrochene Folgenreihe der köstlichsten Alpenansichten gibt. Aus diesem Panorama treten, noch innerhalb des Kreises, die Bergriesen Dreiherrenspitz, 9340 Fuß, Breithorn, 7460 Fuß, der Rattenstein, fast 7000 Fuß hoch hervor. An der Gränze Berchtesgadens zieht das sogenannte steinerne Meer, 7000 Fuß über dem Meere, 3 Stunden lang hin und gibt dem erstaunten Auge den sonderbarsten Anblick. Die ganze Fläche ist wogenartig gefurcht und mit nichts anderem zu vergleichen, als mit einem sturmgepeitschten Meere, welches plötzlich erstarrte und versteinerte. Den berühmten Untersberg mit seinen schauerlichen Höhlen, Grotten und Sagen übersieht man ganz, und das wilde, vielarmige Tauerngebirge mit seinen Hörnern und Zacken streckt sich weit nach Steiermark aus. In dieser Tauernkette, deren meistens unzugängliche Spitzen sich bis über zwölftausend Fuß erheben, sind die größten Gruppen von Gletschern eingelagert, welche reißende Bergströme in Kaskaden und Wasserstürzen nach allen Richtungen hin entsenden. Viele dieser stundengroßen Gletschermassen sind 9000 bis 10,000 Fuß hoch und ihre Unersteiglichkeit spottet der Nähe der Menschen. Dort starrt auch der Ankogel jenseit des Gasteiner Wildbads empor, dessen in ewiges Eis gehülltes Haupt zur Hochsommerszeit noch um 10 Uhr Abends im Sonnenlichte strahlt.

In geognostischer Hinsicht ist Salzburg’s Gegend, (alle Uebergänge vom Alpenkalk an bis zu den ältesten Urgebirgen zeigt sie,) interessant und für den Bergbau war sie seit undenklicher Zeit klassischer Boden. Viele Gewerbe hängen von ihm unmittelbar ab, oder sie stehen doch mit ihm in näherer oder fernerer Beziehung. Man baut im Kreise auf fast alle Metalle; und hier ist das einzige noch gangbare und bedeutende Gold-Bergwerk Deutschlands. Auch in dem Charakter des Volks ist der Einfluß seiner Hauptbeschäftigungen nicht zu verkennen, und ich möchte behaupten, daß sich das Berg und Grubenwesen in den Physiognomien nirgends plastischer ausgedrückt hat.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/191&oldid=- (Version vom 7.10.2024)