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so gewaltiger Einbruch des Themsewassers, daß die Hebungskraft es nicht mehr gewältigen konnte. Alle Anstrengungen waren vergeblich; die Arbeiter retteten sich; der Tunnel ersoff. Dieß geschah am 18. Mai 1827.

Brunel ließ sich mit der Taucherglocke in den trichterförmigen Schlund hinab, den der Strom sich bis zum Tunnel gewühlt hatte; und mit Freude sah er das Mauerwerk unversehrt und seinen Schild unverletzt noch auf der Stelle, wo ihn die Arbeiter verlassen hatten. Er schritt nun unverzüglich zur Reparatur. Mit 60,000 Zentnern Lehm, den er in Körben versenkte, stopfte er den Schlund und mit mehren Dampfmaschinen legte er sodann den Tunnel wieder trocken. Schon am 21. Juni hatte er die Freude, die Arbeit wieder fortsetzen zu können. Zwar versuchte die Themse bald darauf neue Einbrüche; aber immer gelang es dem Genie und der Geistesgegenwart des Architekten, Gewältigungsmittel aufzufinden und bis Ende des Jahres 1827 brachte man den Tunnel unter den drohendsten Umständen um 50 Fuß weiter.

Aber am 12. Januar 1828 zeigte sich eine Gefahr, vor der die Entschlossenheit selbst erblassen mußte. Der Grund hob sich an mehren Stellen, die Themse hatte, das war offenbar, sich um das Mauerwerk Bahn gebrochen und suchte die Gewölbe von untenher zu sprengen. Brunel befahl sämmtlichen Arbeitern, den Tunnel zu verlassen, bis auf 4, welche freiwillig sich erboten, bei ihm zu bleiben, um ihm bei den Untersuchungsarbeiten mit Gefahr des Lebens zu helfen. Von Sekunde zu Sekunde schwoll der Grund unter ihren Füßen höher auf und schreckhaft war es, die Fluthen zu hören, die mit donnerähnlichem Getöse an dem Gemäuer sich hin und her wälzten. Schon war einer der vier Arbeiter, von Entsetzen ergriffen, entflohen; zögernd folgte Brunel mit den übrigen, als plötzlich mit dem Krachen eines Vulkans im hintern Theil des Tunnels das Gewölbe platzte. Vom Luftdruck erloschen die Lichter; Brunel, der nur noch wenige Schritte zum Schachte hatte, rettete sich glücklich; seine Arbeiter verschlang die Fluth.

Noch einmal wurde das Bett der Themse befestigt und der Tunnel vom Wasser befreit; Brunel drang auf Fortsetzung der Arbeiten; aber die Aktionairs waren entmuthigt und verweigerten weitere Zuschüsse. Der Tunnel hatte die Summe von 270,000 Pfund Sterling gekostet, und der Rest des Fonds reichte blos hin, die Schutzarbeiten zu fertigen, um das Gemachte vor der Zerstörung zu sichern.

Nach 8 Jahren endlich (1836) faßten die Unternehmer neuen Muth und neue Fonds wurden verwilligt, um das große Werk zu vollenden. Seitdem ist es unter Brunel’s beharrlicher Leitung langsam zwar, aber ohne weitere große Unfälle fortgesetzt worden. 900 Fuß des Doppelgewölbes sind jetzt fertig; 400 Fuß noch zu bauen. Die gänzliche Herstellung ist, da die gefahrdrohendsten Punkte überschritten sind, nicht mehr zu bezweifeln, und Brunel hofft im Jahre 1842 ein Werk zu Stande zu bringen, das einzig in seiner Art ist und eben so sehr ihm, als dem brittischen Associationsgeiste zum Ruhme gereicht, welchem es die Welt, wie so vieles Große, zu verdanken hat.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/176&oldid=- (Version vom 1.12.2024)