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so wenig geschlossen seyn, als heute. – Dampf, Electrizität, Galvanismus: als sich die Mechanik dieser 3 Kräfte bemächtigte, that sie den ersten Griff in einen unendlichen Schatz. Die älteste wirksame Dampfmaschine zählt kaum ein halbes Jahrhundert; und was hat sie schon geleistet! Laßt aber noch 50 Jahre vergangen seyn, und unsere Enkel werden auf ihre jetzigen Leistungen herabblicken, wie wir selbst auf die Spiele unserer Kindheit. – Kaum 20 Jahre sind’s her, daß das erste Dampfboot seine Ruder bewegte. Als Lord Stanhope damals die erste Fahrt von der London-Brücke nach Greenwich machte, lachte ihn die Welt aus und nannte ihn einen Narren. Und jetzt! Groß wie wandernde Städte durchschwimmen die Dampfschiffe das atlantische Meer, spotten dem Heulen des Sturms, dessen Macht sie gebrochen, bekämpfen den Monsoon auf seinem eigenen Ocean, und setzen die Bewohner des himmlischen Reichs in Schrecken, wenn sie hören, daß man in Canton die Londoner Zeitungen des letzten Monats liest. – Die Eisenbahn zählt kaum 10 Jahre; die Erfindung säugt noch an der Mutterbrust: und schon hob sie in der alten Welt die Trennung nach Raum und Zeit in 3 Königreichen auf, und in der neuen hat sie die Völker des Ostens und Westens auf Tausende von Meilen einander genähert. Was werden die Eisenbahnen in 50 Jahren wirken? – Die Entdeckung des Elektro-Magnetismus ist noch kein Lustrum alt; schon macht er sich zum Nebenbuhler des Dampfs, und die New-Yorker Zeitung, welche ich lese, ist mit seiner Kraft gedruckt. Was wird in fünfzig Jahren seine Anwendung seyn? – Alle diese großen Naturkräfte sind zugleich Pfeiler des Friedens. Selbst als Zerstörungsmittel sind sie’s; denn Alles, was den Krieg verderblicher machen kann, verringert seine Möglichkeit, und so müssen wir ihre Anwendung, man betrachte sie von welcher Seite man wolle, als von nur wohlthätiger Wirkung für die Menschheit und als ein Palladium der Civilisation anerkennen.


In dem nebigen Bilde sehen wir die Darstellung eines der größten Werke unserer und aller Zeiten! Ehrfurcht ergreift mich vor meiner eigenen Natur, denke ich den grandiosen Gedanken aus, auf solche Weise die Ströme der Erde zu entjochen und sehe ich ihn so verwirklicht. Solche Triumphe der Idee, des Wissens und Könnens feierten weder Rom, noch Aegypten. Man errichtet leichter Pyramiden, höhlt Labyrinthe aus und erbaut Colosseen leichter, als ein solches Werk.

Die erste Idee zum Bau eines fahrbaren Wegs unter dem Hafen von London hin nach dem jenseitigen Ufer der Themse entsprang in dem Kopfe eines Mechanikers, welcher in einer 1799 gedruckten Brochüre die Vortheile eines solchen Communikationsmittels zwischen den Uferbewohnern großer, durch den Verkehr belebter Ströme auseinander setzte und die Möglichkeit der Ausführung zu beweisen suchte. Der Gedanke wurde aber zu jener Zeit für so unsinnig gehalten, daß man ihn nicht einmal der Diskussion werth achtete. – 1804 tauchte das Projekt von neuem auf. Dießmal fand es schon mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung. Es wurde Tagesgespräch

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/173&oldid=- (Version vom 7.10.2024)