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Zerstreut auf den Terrassen des Schloßfelsens umher sieht man, außer dem bereits erwähnten, recht guten Gasthofe, der von allen Zimmern die schönsten Aussichten hat, eine Kalkhütte, die Burgvogtei, Verwalterwohnung, das Zeughaus, einige Oekonomiegebäude und mehre Lusthäuschen. Auf der südöstlichsten, etwas niedrigern Ecke aber findest du Etwas, was du nicht suchst und hier gern vermissen möchtest, – ein Zucht- und Irrenhaus.

Das Schloß ist der uralte Stammsitz der ehemals reichsgräflichen, jetzt fürstlichen Dynastie Schwarzburg. Seine Erbauung reicht in jene Frühzeit der deutschen Geschichte hinauf, wo die ersten Carolinger gegen die häufigen Einfälle der Sorben und Wenden an den Zugängen des Reichs Gränzfesten errichteten. Carl der Große belehnte einen Grafen von Schwarzburg, und in den Urkunden Thüringens finden wir sie schon im 9. Jahrhundert als mächtige Herren. In spätern Tagen kam die Schwarzburg zwar in fremden Besitz; doch nur auf kurze Zeit, und seit 1229, wo sie Graf Heinrich IV. wieder an sich brachte, blieb sie Eigenthum der erlauchten Familie, welche sich, was keine andere in Deutschland kann, noch gegenwärtig der Wiege ihres Hauses erfreut. 1726 zerstörte eine Feuersbrunst vieles am uralten Bau und der damalige Fürst Rudolstädtischer Linie, welchem die Burg bei der Erbtheilung der schwarzburgischen Lande zugefallen war, erhielt dadurch Gelegenheit, diese ehrwürdige Besitzung, wie sie es verdiente, durch den Neubau zu verschönern und zu erweitern. –

Das Innere des Schlosses ist angemessen; Säle und Zimmer sind geräumig, ihre Ausstattung ächt ritterlich, oft mit fürstlicher Pracht. Moderne Eleganz wird hier Niemand suchen, und Jeder gern vermissen. Sehr merkwürdig ist der sogenannte Kaisersaal, in dem vom Brande verschont gebliebenen Theile der alten Burg. Er wird durch eine Kuppel von oben erleuchtet. Die Bildnisse sämmtlicher deutscher Kaiser bis auf Karl VI. herab zieren seine Wände, unter ihnen Graf Günther XXII. von Schwarzburg, der von den meisten Ständen des Reichs wider Karl IV. als Gegen-Kaiser gewählt worden war. In einem andern Saale hängen die Portraits aller Fürsten des schwarzburgischen Hauses, viele von der Hand großer Meister und auch als Kunstwerke werthvoll. Auf den Corridors machen die seit Jahrhunderten gesammelten Trophäen jagdlustiger schwarzburgischer Fürsten und Herren, ungeheure Geweihe von den im Wildgehäge des Schlosses erlegten Hirschen, Elenthieren etc. eine seltsame Staffage. Ein Meisterstück von Bau, prachtvoll und wahrhaft fürstlich ist die Haupttreppe, aufgeführt aus inländischem Marmor. Die meisten Zimmer sind gegen Südwest gerichtet. Man genießt aus ihnen über die senkrecht in den Fluß abfallende Felsenwand zwar beschränkte, aber malerische Blicke in den Wiesengrund, den einzelne Häuser, einige Hammer- und Mühlwerke ausstaffiren, und über die hinter einander sich erhebenden bewaldeten Berge, welche alle einen Theil des mehre Quadratmeilen großen Wildgartens ausmachen, wohl dem geräumigsten in Deutschland. Zuweilen sieht man ganze Heerden von Rothwild am Waldsaum weiden, und zur Winterszeit kommen Hirsche bis unter die Fenster des Schlosses. – Am Zeughaus gehe man nicht vorüber. Wir fanden in demselben eine merkwürdige

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/142&oldid=- (Version vom 5.10.2024)