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zwischen Blankenburg und Königssee gestanden haben), das fröhliche Stampfen der Pochwerke schlägt nicht an das lauschende Ohr; nur die einsame Holzaxt ertönt, oder Heerdengeläute, oder Glockengetön aus den benachbarten Dörfern.

Gleich hinter Blankenburg zieht sich das Thal allmählich enger zusammen, und es bleibt blos eine von schroffen Schieferwänden eingeschlossene Schlucht übrig, aus welcher die Schwarza brausend hervorbricht. Am Eingange desselben liegt auf dem rechten Ufer, höchst romantisch, eine Papiermühle, von welcher man noch einmal auf Blankenburg und den Greifenstein hinabblickt. Unser Führer sagte uns, hier hätten wir den halben Weg von Rudolstadt nach dem noch 2 Stunden entfernten Schwarzburg zurückgelegt. Bis dahin begegnet man keiner menschlichen Wohnung weiter. Finster und grauenhaft krümmt sich die Stromschlucht zwischen den Felswänden durch, und tobend wälzt sich die Schwarza über ihr dunkelfarbiges Schieferbett. Ehemals gönnte sie kaum dem Wanderer einen schmalen Fußpfad an ihrem Ufer; erst die Kunst zwang den Felsen einen fahrbaren Weg ab, und die gemauerte Straße ist der einzige trockene Boden des dunkeln, wilden Thals. Nur dann und wann, näher an Schwarzburg, erweitert es sich etwas; jedoch immer nur auf kurzer Strecke, und kleine, freundliche Wiesengründchen sind wahre Lichtblicke in dieser dämmernden Einöde. Alle Bergwände sind mit Holzung bekleidet; nur da, wo jene ganz senkrecht abfallen, folglich kein Baum wurzeln kann, starren die schwarzen Thonschieferfelsen unfreundlich herab, und unter diesen hebt sich der himmelhohe Kirchenfelsen trotzig empor. Man kann diese ganze Strecke des Thals einzig im Thüringer Walde, einzig in ihrer Art nennen. „Hier sind nicht (sagt Jacobs in seiner trefflichen Beschreibung d. Th. W.)[WS 1] die wunderbaren, kühnen und abenteuerlichen Felsengruppen von Eisenach, Altenstein und Glücksbrunn, von lachenden Buchenwäldern umgeben und durch den entzückenden, erhebenden Anblick auf ein großes, fruchtbares Thal und ferne blaue Berggipfel erheitert; nicht die herrlichen Colosse eines Bärenbruchs und Falkensteins, bei Tabarts und Tambach, die sich aus einem blumigen Wiesenboden erheben und mit fichtenumkränztem Haupte gen Himmel streben! – nein, es ist ein starres, elegisches Emporragen todter, schwarzer Schieferwände, welche die Brust des Wanderers in diesem wilden Thale beengen und nur dann eine frohe Empfindung geben, wenn man sie hinter sich hat, und das wunderschöne, glänzende Schwarzburg selbst aus seinem Wiesenthale auf seiner Bergzinne sich erheben sieht.“ – Bald verkündigte uns das Schmettern der Posthörner froh die Nähe des Ziels, und wenige Augenblicke später hielten wir, bei einer 1000jährigen Eiche, an einem stattlichen, recht wirthlich aussehenden Hause, dem Schwarzburger Gasthofe.

Die Schwarzburg steht auf einem schmalen, hackenförmigen Vorsprunge des Gebirgs, 250 Fuß über dem Thale. Die Schwarza umkrümmt den Felsen auf drei Seiten und am östlichen Fuße desselben liegt das Dorf (etwa 50 Häuser), dessen Einwohner sich von undenklichen Zeiten her „die Männer vom Thale Schwarzburg“ nennen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. K. E. A. von Hoff und C. W. Jacobs: Der Thüringer Wald besonders für Reisende geschildert, 2. Hälfte, Gotha 1812, S. 93 Google
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/141&oldid=- (Version vom 26.11.2024)