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gehen sie stets im Trab und Galopp, und an Einhemmen ist fast nie zu denken. Man macht auf diese Art in Schweden 100 deutsche Meilen mit Extrapost in 3 Tagen um ein paar Friedrichsd’or. – Von Helsingborg nach Göteborg (Gothenburg) sind 26 Meilen. Der Weg ist nicht unangenehm, und von den höhern Punkten der Straße hat man zuweilen herrliche und weite Aussichten auf das Meer. Die Städte der Route sind unbedeutend; aber durchgängig das Bild der Reinlichkeit und der Ordnung: sie haben gewissermaßen einen plastischen Ausdruck von Volkszufriedenheit. Die Wirthshäuser sind keine Hotels; aber das, was sie an Glanz und Magnifizenz entbehren mögen, ersetzen in diesen anspruchlosen Häusern die ländlichen und gastfreundlichen Sitten ihrer guten Menschen. Der Fremde wird an der Schwelle des Gasthofs mit treuherziger Höflichkeit empfangen und man führt ihn in einen kleinen Salon, dessen blendend-weiß gescheuerter Fußboden mit Blumen und kleinen Tannenreisern wie mit einem Teppich überlegt ist. Alles blinkt und glänzt von Reinlichkeit; Tische und Stühle, Wände und Geschirre, die Fenster und die Gesichter der Menschen. Man servirt auf silberhellem Tischzeug, – dem Fabrikat des Hauses, – das Frühstück: es besteht aus Kaffee, köstlichem Brode, Butter und frischen Eiern. Eben so einfach wird das Mittagessen seyn; allein man servirt mit Zierlichkeit, und die äußerste Reinlichkeit würzt es. Gleich freundlich und heitern Anblicks ist das Schlafgemach; weiße Fensterdraperien, hübsche Meubles, tapezirte oder gemalte Wände findet man in den unansehnlichsten Aubergen. Die Betten sind nicht dreimännisch-breit, wie die englischen; schmal zwar, doch außerst reinlich. –

Gothenburg (Göteborg) ist die zweite Stadt des schwedischen Reichs[1]. Ihr Anblick überrascht durch sein Außerordentliches. Auf kahlem Felsgrunde, am Ausfluß des großen Götakanals erbaut, scheint sie von einem Kranze von Inseln und Seen und nackten Felsen eingefaßt zu seyn, und das Ganze bildet eine eben so neue, ale bizarre und erhabene Scene. Durch die unzähligen, tief eingeschnittenen Krümmungen der Küste verwandelt sich die Ansicht jeden Augenblick; sie wird anders, so wie der Standpunkt oder die Beleuchtung wechseln; auch im gleichgültigsten Beschauer wirkt sie Bewunderung und läßt in seiner Seele einen Eindruck zurück, welcher nie wieder auslöscht. Zwischen basaltischen Felswänden neigt sich endlich die prächtige Heerstraße hinab zur Stadt. Noch ist die Seele mit wunderlichen Naturbildern beschäftigt, den eben betrachteten; da sieht man sich mit einem Male in das rege Leben der großen Seestadt versetzt, der Wagen rollt durch schöne, breite, rechtwinklichte Straßen, an prächtigen Gebäuden vorüber, neben den tiefen, mit Bäumen besetzten Kanälen, über Brücken und weite Märkte. Der Wagen des Reisenden hält: und es umgibt ihn das Gewirre einer der schönsten Städte der Erde, deren Physiognomie an Venedig und an die großen Seeplätze der Holländer erinnert. Gothenburg’s Hafen ist in der That der nobelste der ganzen Nordküste unsers


  1. G. hat 1400 Häuser und über 20,000 Einw.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/14&oldid=- (Version vom 27.9.2024)