Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/13

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

keinen Menschen antreffen, der nicht lesen, und gewiß sehr wenige, die nicht schreiben und rechnen können. Wer aber der Meinung seyn möchte, Schweden für ein Land anzusehen, das in Bezug auf höhere Bildung hinter dem übrigen Europa zurück sey, oder keine Literatur besitze, der lese die Namen: Tycho Brahe, Linné, Bergmann, Puffendorf, Prockheim, Berzelius, Axel, Tegner u. A., und er wird erkennen, daß er irre. Die schwedische Sprache ist in der That eine der ausgebildetsten Europa’s und eine der reichsten. Sie klingt ungemein weich, und hat im Munde der Frauen eine graziose Anmuth.

Ich werde bei einem künftigen Bilde (Stockholm’s Ansicht) Gelegenheit haben, die Skizze dieses Volksbildes zu vollenden; heute bleibe es bei dem ersten Umriß. Dann werde ich auch von Schwedens selbst gewähltem Könige reden. Man hat gesagt, ich sey ein übler Lobredner der Könige. Für den Beweis des Gegentheils ist Karl Johann ein schönes, und ein willkommenes Thema.


Das erste Unangenehme, was dem Reisenden in Schweden aufstößt, ist ein Zwillingspaar: die Polizei, deren Name genügt; und das Papiergeld, das zu rembrandtesk ist, um nicht einer nähern Beschreibung werth zu seyn. Diese keineswegs leichte Nationalmünze besteht aus beschmutzten, zerrissenen und oft unleserlichen Papierfragmenten, die häufig auf Lumpen aufgepappt, oder aufgenäht sind: – und eine Handvoll solcher Rixthaler und 8 Schillingstücke, welche man für das erste blanke Goldstück, das man in Schweden wechselt, zurückerhält, ist für zartgebildete Organe eine nicht ganz gefahrlose Erscheinung. Sey aber auch der Abscheu vor dem schmutzigen, widerlichen Papierschwulst noch so groß, man muß ihn doch überwinden; denn schwedische Gold- und Silbermünzen verschwinden eben so schnell, als sie geprägt werden, und man sieht sie nie in Umlauf; mit ausländischem Gelde ist aber gar kein Fortkommen, und will der Fremde in kleinen Städten etwas verwechseln, so wird man ihn nicht selten zum Goldschmied weisen, der es auf dem Probirsteine prüft und den Werth nach dem Gewichte taxirt. – Hat man sich inzwischen mit diesen beiden Dingen, Papiergeld und Polizei, welche letztere hier, wie überhaupt im Norden, auf Fremde ein wachsames Auge hat, einmal befreundet, dann gibt es nichts Vergnüglicheres, Expediteres und – Wohlfeileres, als das Reisen in Schweden. Die Straßen sind eben und fest wie eine Tenne, besser noch als in England; es sind die vollkommensten in der Welt. Wie in einem Kinderwägelchen auf dem Fußboden, so leicht und sanft rollt man im landesüblichen Carriol mit den niedrigen Rädern fort, ohne einen Stoß zu empfinden. Postpferde stellen die Bauern, und diese fahren in der Regel selbst. Die Taxe ist äußerst mäßig; vom Pferde 16 Schillinge für die schwedische Meile, welche anderthalb deutsche ausmacht und in anderthalb Stunden zurückgelegt werden muß, aber oft in der Hälfte gefahren wird. Die Pferde sind feuriger Natur und von unverwüstlicher Dauer. Bergauf wie bergab

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/13&oldid=- (Version vom 27.9.2024)