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Handlungen. Grausamkeit, Unentschlossenheit, Treulosigkeit, Feigheit bilden den Cyklus der Eigenschaften, auf die der Prätendent die Ansprüche des großen Mannes gründet.

Fünf Jahre später treffen wir ihn auf Frankreich’s Schwelle, verlassen und verflucht, elendiglich bettelnd um gastfreundlichen Schutz. Ehrlos stiehlt er sich aus dem Lande, das er verwüstet, von dem Volke, das er entmenschte: und Verwünschungen von Freund und Feind folgen ihm nach. Don Carlos hat das Ende seiner Laufbahn erreicht, ein Ende, würdig seinem Beginnen. Sein Name gehört fortan der Vergangenheit. Wer zu Spott und Abscheu geworden, kann niemals wieder Begeisterung für sich erwecken. –


Auch du, schönes Valenzia, hast das Blut deiner Bürger um den Nichtswürdigen fließen sehen, und mehr als einmal sahst du die Brandfackel leuchten, womit er dich zu züchtigen gedachte. Deine Erhaltung kommt aber nur halb auf Rechnung deines Muths; halb gehört sie der Feigheit deines Dräuers.

Valenzia liegt im Eden Spaniens; im Mittelpunkte der Provinz, welche sich unter dem schönsten Himmel Europa’s ausbreitet; im Lande voll anmuthiger Hügel, Thäler und kleiner Ebenen, dem reichlich bewässerten und dem das nahe Meer beständige Kühlung zuweht. Wie um Neapel ist hier der Himmel beständig heiter, eine Wolke ist eine Seltenheit, selbst im December sind Reif oder Nachtfröste unerhört. Der üppig-fruchtbare Boden, der die edelsten Erzeugnisse Spaniens, köstliche Weine, Oliven, Südfrüchte (selbst Datteln), Aloe und balsamische Harze; Getreide in Ueberfluß; Flachs und Hanf in überschwänglicher Menge hervorbringt, ist hoch cultivirt, und die nähere Umgebung der Hauptstadt macht auf mehre Quadratmeilen einen herrlichen Garten aus, von unglaublich dichter Bevölkerung. Die Gegend von Valenzia sieht, was sorgfältige und verständige Benutzung des Bodens angeht, dem übrigen Spanien so unähnlich, wie die Vorderseite eines schönen Gemäldes seiner Rückseite, der rauhen Leinewand.

Die Stadt, am schiffbaren Guadalaviar, ¼ Meile vom Meere, zählt in 6000 Häusern etwa 80,000 Einwohner und ist ihrer Bevölkerung nach die dritte in ganz Spanien. Sie ist maurischen Charakters, von innen und außen; starke Mauern fassen sie ein, tiefe Gräben umgeben sie und eine Citadelle, die zwar klein ist, aber sie vollkommen beherrscht, dient ihr als Wehr und als Zwingburg. Der Generalcapitain des Königreichs, ein Erzbischof, eine Universität und eine königliche Academie der bildenden Künste haben hier ihren Sitz. Der Handel wetteifert mit dem von Barcelona und Cadix, und wird begünstigt durch eine Menge Anstalten, die sich auf ihn beziehen: Handelsinstitut, Assecuranzgesellschaft, Börse und Hauptzollamt. Marseille unterhält eine wöchentliche, regelmäßige Dampfschifffahrtsverbindung mit Valenzia und die meisten Reisenden nach dem Süden Spaniens bedienen sich derselben, als der sichersten, schnellsten, bequemsten und zugleich billigsten Reisegelegenheit. Die geschützte Rhede von Groa, in halbstündiger Entfernung, dient Valenzia zum Hafen. Auch der Gewerbfleiß ist

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/124&oldid=- (Version vom 4.10.2024)