Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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Anstatt den alten, doch nicht mehr zu rettenden Prachtbau durch die Flickerei vollends zu verunstalten, wäre es gescheuter, man zündete ihn an und machte ihn mit Einemmale zur malerischen Ruine.
Noch verdienen der Brunnen und die Souterains eine kurze Erwähnung. An diesen Werken erkennt man den Geist der alten Zeit und ihrer Menschen; die Größe, Kraft und Ausdauer ihres Willens. Der Brunnen ist 10 Fuß im Durchmesser, aus dem härtesten Basalte gehöhlt, über 450 Fuß senkrecht tief, und hat noch jetzt, obschon seit ¾ Jahrhunderten aller Schutt der eingestürzten Gebäude hineingeworfen worden ist, die Tiefe von 320 Fuß. – Keller, Verließe und unterirdische Gänge sind auch zum Theil aus dem lebendigen Fels gehauen und bilden ein schauerliches Labyrinth, das unter der Burg sich verzweigt. Noch zeigt man in dem tiefsten der finstern Gewölbe die alte Marterkammer, mit den ganz kleinen, schmalen Oeffnungen in der dicken Mauer und daneben das ehemalige Stübchen des Gerichtsfrohn. Der letzte starb noch in diesem Jahrhundert und dessen Vorfahre hatte vor kaum 70 Jahren der letzten Torturoperation beigewohnt. – In einem andern Gewölbe sind die Ringe noch sichtbar, an welchen die armen Gefangenen geschmiedet waren; noch die niedrigen, Schweinskoben ähnlichen Käfige von massivem Eichenholz, wo Verbrecher, oder Opfer der Gewalt, des Hasses und der Intrike, in Gesellschaft der Molche und Kröten auf verfaultem Stroh oft viele Jahre lang vergeblich auf den Tod, als ihren einzigen Erlöser, harrten. Was für Seufzer der Qual, was für Jammertöne der unerträglichen Schmerzen mögen durch diese Gewölbe gezittert haben, was für Angstschweiß und Thränen in ihnen vergossen worden seyn, während in den Prunksälen über ihnen die fürstliche Freude schwelgte. Kein Mensch wird diese Denkmale der alten Zeit ohne Schaudern betrachten, und kein Mensch, der sie gesehen hat und ein Herz im Busen trägt, jene alte Zeit zurück wünschen.
Ueber die Entstehungszeit der Heldburg hängt ein dichter Schleier. Urkundlich erwähnt wird sie zuerst im 9ten Jahrhundert, als gelegentlicher Sitz der alten Gaugrafen des Grabfeldes. Auch die zum Besitz der Burgmannen gehörigen Städte Hilpertshausen (Hildburghausen) und Heldburg waren als Dörfer bereits vorhanden. Noch im 9ten Jahrhundert kamen Burg und Herrschaft an das Hochstift Fulda, später an die Grafen von Henneberg, und endlich an das Kur- und herzogliche Haus Sachsen. Herzog Friedrich der Mittlere erkor die Heldburg, 1560, zu seiner Residenz. Er erweiterte damals das Schloß zum prächtigsten Fürstenhause der ganzen Gegend. Als Festung wurde es im 30jährigen Kriege von den Kaiserlichen zweimal erstürmt, geplündert und zum Theil niedergebrannt.
Nach der Theilung der Sächsisch-Ernest. Länder unter die Söhne Ernst des Frommen fiel die Heldburg der Hildburghäuser Linie zu, bei der sie blieb, bis sie der letzte Erbvertrag mit dem ganzen Lande an Meiningen brachte.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/115&oldid=- (Version vom 23.11.2024)