Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/11

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
CCXXXVI. Gothenburg in Schweden.




Es ist das Gepräge einer lebendigen, ich will nicht gerade sagen geistvollen, Auffassung, daß sie bei der Vorführung des Einzelnen immer eine allgemeine Idee erkennen läßt, und diese dem Leser gegenwärtig erhält, während sie ihn mit Details beschäftigt. Ich habe mir von Anbeginn die Aufgabe gestellt, in diesem Sinne meine Stizzen zu entwerfen, so weit es der beschränkte Raum und das oft mangelhafte Material zulassen. Einen höhern Anspruch können und wollen diese Aufsätze, ihrer Natur nach, nicht machen. Wer eine tiefere und reichere Einsicht in die Kunde der Länder und Völker sucht, wendet sich nicht an das Universum; er wird bessere Quellen zugänglich finden, und wenn er es mit Ekel vor den dürren Lehrbüchern gewöhnlichen Schlags thut, um so besser für ihn und die Wissenschaft, deren Studium er sich hingibt.


Wir betreten heute ein Land, wo wir noch nicht gewesen; ein neues Ziel auf unserer irdischen Wanderung. Die nebige Ansicht ist die erste schwedische in diesem Werke.

Der Sund, welcher Dänemark von Schweden trennt, bildet eines der schönsten Panoramas der Welt. Schmal ist die Meerenge; kaum eine halbe Stunde erfordert sie zur Ueberfahrt nach Helsingborg. Unstreitig verdient die dänische Seite vor der schwedischen den Vorzug. Das kleine, hübsche Helsingör, prangend in holländischer Reinlichkeit, hat, als Hauptstadt aller Consuln der vier Welttheile, ein ganz eigenthümliches Interesse, und die noble und dramatische Architektur der stolzen Veste Kronenburg, dieser Wache an der Meerpforte, deren Batterieen, aus Geschützen von schwerstem Caliber, die spiegelklare Fläche des Sundes weithin durchkreuzen und beherrschen, erinnern an Hamlet, an das tragische Geschick der Königin Mathilde und an viele der gewaltigsten Thaten der skandinavischen Geschichte. Das schwedische Ufer mit seinem armen Helsingborg hat dem von allen Mächten der Erde hier Tribut fordernden kecken Nachbar in pittoresker Beziehung nichts entgegenzusetzen: – aber dagegen finden wir dort – ein hochherziges, ein freies Volk!

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/11&oldid=- (Version vom 27.9.2024)