Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
|
Der Mälarsee ist der dritte, der Größe nach, in Schweden. Seine Länge von Ost nach West mißt etwa 20 geographische Meilen, seine sehr abwechselnde Breite aber ist weit geringer. Er sammelt in seinen Becken die von den westlichen Gebirgen und den Höhen in Nord und Ost herabströmenden Gewässer und gießt sie durch einen schmalen, etwa 3 Meilen langen Kanal in das Baltische Meer aus. Die Städte Arboga und Stockholm liegen an seinen Marken in West und Ost.
Die pittoresken Schönheiten des Mälarsees sind weltberühmt. Keins der prächtigen Seen Skandinaviens, und wenige der Erde, prangen mit solchem Reichthum der mannichfaltigsten und anziehendsten Ansichten. Wer Schweden und Stockholm über Kopenhagen besucht, dem ist der Genuß der Mälarbilder auf der Dampfbootfahrt von Arboga, oder Köping nach Stockholm beschieden. Unzählige Inseln wiegen sich auf der spiegelklaren Wasserfläche, bald in Gruppen zu drei und vier nahe an einander rückend, welche mit ihren hohen, senkrechten Felsenufern schmale Schluchten bilden, durch die der Wind die schäumenden Gewässer mit wildem Getöse peitscht, – bald einzeln und weit auseinander liegend, alle mit herrlichem Hochwald bis an die Uferränder bedeckt und oft mit freundlichen Dörfern oder einzelnen Villen und Fabrikanlagen geschmückt. – Der Einfluß der Hauptstadt wird in 10- bis 12stündiger Entfernung sehr auffallend. Je näher ihr, je angebauter erscheinen die Ufer, immer häufiger begegnet das Auge den Wohnungen der Menschen, immer öfter dehnen sie sich zu größern Orten aus, oder kleiden sie sich in das Gewand des Reichthums und des gebildeten Geschmacks. Zwei Meilen von Stockholm gewinnt die Natur der Landschaft und ihre Ausschmückung, die Abwechselung und der Reiz der Ansichten einen fast feenartigen Charakter. Wasser und Land, Felsen und Gärten, Eilande und Ufer, Berge und Wälder, Lustschlösser, Fabriken, Villen und die vielen öffentlichen Anlagen zur Befriedigung der Vergnügungslust der Hauptstädter mit Belvederes, Kiosk’s und Theater in den Baustylen vieler Zeiten und Völker wechseln unaufhörlich, und der schnelle Flug des Dampfschiffs gibt den verwilderten Sinnen keinen Raum zur Betrachtung. Einen Ruhepunkt findet das Auge erst in Stockholm selbst, welches sich am Ende des Sees mit seinen zahlreichen Thürmen, gleichsam auf der Wasserfläche schwimmend, darstellt wie ein Venedig des Nordens.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/105&oldid=- (Version vom 21.11.2024)