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nicht behaupten konnte. Daher verlor sie eine nach der andern. Die Empörung von Corsika, 1730, und das langjährige Bestreben, sie zu unterdrücken, entzog dem Staate die letzten Kräfte. Nach deren Erschöpfung (1768) trat sie die Insel an Frankreich ab, das sich solche mit Waffengewalt unterwarf. Der Sturm der französischen Revolution endlich brach das längst morsche Gebäude gänzlich zusammen. Zwar versuchte nach der Schlacht von Marengo Bonaparte eine Art Wiederherstellung unter dem Titel „Ligurische Republik.“ Es war indeß blos ein Schattenspiel, das (1805) in der Einverleibung mit dem französischen Reiche endigte. – Damals büßte auch die berühmte Bank, (eine der ältesten der Welt und das Muster für die meisten gleichartigen Institute), welche im Besitz eines ungeheuern Grundvermögens und von mehr als 10 Millionen Franken jährlicher Einkünfte war, ihre Existenz ein; sie wurde aufgehoben und ihr Grundkapital auf das Schuldbuch von Frankreich übergetragen: eine Maßregel, durch welche Genua einen großen Theil seines Vermögens verlor. Nach dem Umsturze der Napoleonschen Weltherrschaft besetzten die Britten die Stadt, und der englische Befehlshaber Bentink gab die offizielle Versicherung der Wiederherstellung ihres Freistaats – ein Versprechen, was der Wiener Kongreß unerfüllt ließ. Genua und sein Gebiet wurde vielmehr zu Sardinien geschlagen, und alles, was die Stadt erhalten konnte, war eine Art Provinzialrepräsentation, welche jedoch die Regierung nicht gehindert hat, in Genua eben so gut, wie in andern Theilen des Staats Grundsätze zur Ausübung zu bringen, die eben so wenig zur Förderung der Civilisation, als zum Heile der Völker gereichen.

Das heutige Genua verdient, wegen der Menge und Schönheit seiner Palläste, noch immer den alten Zunamen LA SUPERBA (die Prächtige). Schon der Kay imponirt durch seine Construktion von Marmorquadern ungewöhnlicher Größe und die Porta Triumphalis, welche in das Innere der Stadt führt. Der Ueberfluß an Marmor und die Bläue des Himmels machen einen eigenen Eindruck von Helle und Sauberkeit; und diesem, so bildet man sich ein, müsse auch das Innere der noch immer volkreichen Hauptstadt entsprechen. Tritt man aber durch’s Thor in die enge Gasse, so weiß man nicht, wie einem nach dem Glanz des äußern Eindrucks geschieht. Man sieht weiter nichts als Menschengewühl zwischen Läden, die reich sind an Waarenvorräthen, aber dunkel. Nachdem man sich durch diese erste, enge Straße durchgearbeitet hat, kömmt man in die Goldschmidtsstraße. Sie ist schon etwas heiterer. Gewölbe mit Gold- und Silbergeschirren und Schmuck und Kleinodien reihen sich hier an einander, und verkündigen den Reichthum ihrer Besitzer und den Flor ihres Gewerbes, das auf des Landes Sitte sich gründet. In Oberitalien ist es nämlich Gebrauch, daß Mädchen ihr Heirathsgut in goldenem Hals- und Ohrenschmuck an sich tragen, und keine Magd läßt sich an Feiertagen sehen, die nicht auf ähnliche Art zeigt, daß sie für den Himmel und – einen Mann ausgestattet ist.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/88&oldid=- (Version vom 25.8.2024)