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Blick so zu sagen hinaus auf die See und ruft zu ungemessenen Abentheuern auf. Das einzige Phantasiebild ist von Jugend auf der Mastenwald des Seehafens, die bunte Welt der Wimpel aus allen Meeren, von den Ländern der Gläubigen und Ungläubigen.

Genua, das der Herrschaft Carthago’s untreu wurde, verbündete sich zur Zeit der punischen Kriege mit den Römern, weshalb es Mago, Hannibals Bruder, zerstörte. Später tritt es als römische Municipalstadt auf. Während der Völkerwanderung fiel es den Ostgothen zur Beute. Es blieb unter deren Botmäßigkeit, bis die Siege des Belisarius ganz Oberitalien dem oströmischen Reiche erwarben. Aber die schwache Hand der Byzantiner verstand nicht das Erlangte zu behaupten. Sarazenen und Longobarden nahmen Besitz von Genua wechselsweise und verheerten es. Seine vortreffliche Handelslage sicherte es jedoch stets vor gänzlichem Verfall, und als Karl der Große die Stadt den Longobarden wieder abnahm, war sie die volkreichste Liguriens. Er gab ihr die Freiheit, der sie nicht würdig schien; denn schon unter der Regierung Karls Nachfolgers, bekam sie, in Folge innerer Zerwürfnisse, einen königlichen Zwingherrn, welcher als Burggraf von Genua erbliches Regiment führte. Zwei Jahrhunderte trug sie das Joch; groß und reich geworden warf sie es im elften Jahrhunderte ab, erklärte sich frei und ernannte Konsuln. Zu eben dieser Zeit ward die Stadt befestigt.

Es begann die glänzendste Periode Genua’s. – In den Kreuzzügen übernahm es den Transport französischer und brittischer Heere an die Küsten von Palästina, und deren Versorgung, bei welchen Geschäften schnell unermeßliche Reichthümer erworben wurden, die der levantische Handel, den es früher noch als Venedig trieb, vermehrte. Im Gefühle übermäßiger Kraft wurde es nach der Erweiterung seines Gebiets lüstern, und noch im zwölften Jahrhunderte wagte es den Kampf mit dem damals mächtigen Pisa, und erwarb die ganze Küste der Provence, mit Einschluß von Marseille, Nizza, Monako und der Insel Corsika. Der Krieg mit den Pisanern wurde ein Krieg auf Leben und Tod. Er dauerte über 200 Jahre, und endete nicht eher, als bis die Genueser die Kriegsflotte der Rivalin vernichtet, ihre Flagge aus allen Meeren vertrieben, ihren Hafen zerstört hatten. Gleichzeitig fing Genua Fehde an mit Venedig, die erst der Friede von Turin beilegte. Um höchsten stieg Genua’s Macht zur Zeit der Erneuerung des griechisch-byzantinischen Reichs, seit 1261. Der Besitz von Kaffa auf der krimea’schen Halbinsel (jener Ort erhob sich für eine Zeitlang zum ersten Handelsplatze des Orients) sicherte ihnen die Herrschaft über das schwarze Meer. Sie bauten Schiffe auf dem kaspischen Meere und bezogen über dasselbe die köstlichen Waaren Indiens. Zwei Jahrhunderte erhielt sich hier der Kern der genuesischen Handelsmacht, und den unzählbaren Horden des Enkels des Dschinges-Chan, welcher mit seinen Tartaren bis nach Schlesien vordrang und Polen verwüstete, sowie später den wilden Raubschaaren Tamerlans widerstand Kaffa mit eben so viel Heldenmuth, als Glück. Erst 20 Jahre nach dem Falle des griechischen Reichs – 1473 – wurde es

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/86&oldid=- (Version vom 25.8.2024)