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CCV. Genua.




Wer von Genua den prächtigsten Anblick haben will, muß es von der Seeseite her betrachten. Amphitheatralisch erhebt sich vom sichelförmigen Ufer die Stadt und von den Felsen im Hintergrunde schauen Citadellen und Klöster auf sie herab. Der Hafen ist der größte der Welt, würdig einer Königin der Gewässer. Zwei Dämme, zum Theil natürlicher Fels, umfassen, gleich Riesenarmen, das Meer und lassen eine weite, zur Ein- und Ausfahrt bequeme Oeffnung. Dieser zur Seite stehen die Pförtner, zwei gewaltige Leuchtthürme, in deren zu Casematten ausgehöhlten Leibern sich die ehernen Ungeheuer des Kriegs verderbendrohend bergen. Ein höherer dritter Leuchtthurm ist auf einem kegelförmigen Felsen erbaut. Unabsehlich ist die Fronte von größtentheils prächtigen Gebäuden, die sich im klaren Wasser spiegelt und über sie reihen sich in weitem Halbzirkel die Straßen wie Terrassen über einander, und Palläste, Thürme, Kirchen treten überall aus den Massen hervor. In der Ferne sieht man links die Alpen mit ihren Schneehäuptern; zur Rechten die hohe Wand der Appenninen.

Jenseits der Fortifikationen fangen die Landhäuser der reichen Besitzer an. Die hohen Gärten geben dem Auge Ruhe, wenn es, vom Anblick der wilden Wogen und der Häusermassen ermüdet, nach sanftern Gegenständen sich zu sehnen beginnt. Aber es kehrt bald wieder zum Anblick des Hafens zurück, dessen Reiz unwiderstehlich anzieht. Die Dämme ragen wenigstens 16 Ellen hoch über die Fläche des Meeres. Man sieht die schwellenden Wogen kommen, sie schlagen mit Getöse an die Mauern und sprützen so hoch auf, daß sie oft ihre Scheitel mit einem Schaumgewölke bedecken. Hinter diesem Molo, von dem man die grandioseste Aussicht auf das Meer genießt, (bei heiterm Himmel erkennt man die Küsten von Corsika), wiegte sich einst die Flotte des mächtigsten Seestaats; oft weilte hier Andreas Doria, der größte Mann, der ihn zu beherrschen berufen war; hier ruhete oft Columbus, des Genuesers, Adlerblick auf den unendlichen Fernen, und voll düstern Ernstes dachte er der Wahrscheinlichkeit vom Daseyn einer neuen Welt nach.

Genuas Ursprung verliert sich in das höchste Alterthum und in die Zeit der Fabel. Schon zur Periode der Carthaginensischen Herrschaft war es durch Handel und Schifffahrt berühmt. Die Natur selbst schien seine Bewohner auf das Meer zu verweisen. Auf drei Seiten von unwirthbaren Berghöhen eingeschlossen, führt jeder

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/85&oldid=- (Version vom 25.8.2024)