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CCIV. St. Malo.




„Wenn ich der Kriegsgott des Meeres wäre, möchte ich in St. Malo wohnen,“ äußerte Wellington, als er zum erstenmale hierher kam, so sehr imponirte ihm der kriegerische Charakter der Ansicht dieses Hafens. Er ist einer der stärksten Waffenplätze Frankreichs, dessen Festigkeit sich in harten Belagerungen erprobte. – St. Malo liegt auf einer Felseninsel an der normännischen Küste, verbunden mit dieser durch einen schmalen Damm, auf dem man jedoch nur zur Ebbezeit trocknen Fußes zur Terra Firma gelangen kann. Rund um ragen Klippen aus dem Meere, alle mit Bollwerken gekrönt und vertheidigt. Doppelt erstaunenswürdig werden diese gewaltigen Befestigungen, wenn man erwägt, daß sie nicht auf Staatskosten errichtet worden sind, sondern zu Lasten des bürgerlichen Seckels, in einer Zeit freilich, wo ungeheuere Vermögen eben so häufig, als schnell hier erworben wurden. Es war die Periode (im 17ten und zu Anfang des 18ten Jahrhunderts) des Ringens um die Seeherrschaft zwischen Holland, England, Frankreich und Spanien, in welcher St. Malo seine günstige Lage zur Kaperei benutzte, und dieses Gewerbe mit unerhörter Kühnheit und nicht geringerm Glücke trieb. Jene Zeit kehrte noch einmal im Anfange des französischen Revolutionskrieges auf kurze Zeit zurück; seitdem sind die Gewerbe des Friedens, Frachtfahrt und Fischerei, an die Stelle jener waglichen, aber einträglichern getreten. Nur der Charakter des Volks erinnert noch an die alte Zeit; – es ist der Charakter des stolzen, reichen, tüchtigen, waglichen und kriegerischen Seemanns. Die Kurzgebundenheit und Grobheit der Einwohner im Verkehr ist sprüchwörtlich; eben so aber auch ihre Geradheit und Rechtschaffenheit.

Die Stadt ist schlecht gebaut, eng, alt, winklich und finster. Bevölkerung: 10,000. Außer Rhederei und Fischerei sind verschiedene Staatsanstalten – das Arsenal, die königl. Werfte, die Stückgießerei – Hauptnahrungsquellen. Berühmt seit lange ist die königliche Seeakademie, welche für die französische Marine eine Pflanzschule der tüchtigsten Offiziere ist.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/80&oldid=- (Version vom 13.10.2024)