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lustigen Adel so gefürchteten Habsburgers, ihre ursprüngliche Bestimmung, die Winterresidenz der Pfalzgrafen zu seyn, aus, und Fürstenberg ward zu einem der gefürchtetsten Raubschlösser, dessen Mauern Handelsleute, Reisende und Schiffer nie ohne Zagen erblickten. Die Fürsten überboten damals die Stegreifritter an Frechheit, an Verhöhnung des Rechts und der Gesetze, und ihre gedungenen Rotten übten von ihren Burgen aus unerhörte Erpressungen und die ärgsten Gräuel. Da half kein Gesetz, wo die Hüter und Vollstrecker des Gesetzes selbst die Verbrecher waren! Des Kaisers Gebote wurden öffentlich verhöhnt und verspottet. Die Krone setzte sich der Uebermuth auf, als die Räuberbande des rheinischen Pfalzgrafen den Kaiser Adolf, den Nassauer, eben als er nach Frankfurt zur Krönung zog, bei Fürstenberg überfiel, mit seinem Gefolge gefangen nahm, ihn auf die Burg schleppte und dort so lange gefangen hielt, bis er sich mit schwerem Lösegeld losgekauft. Vergeltung blieb nicht aus. Nach seiner Befreiung unternahm der Kaiser einen Zug gegen die Friedensstörer, Fürstenberg wurde zerstört (1293) und zugleich die meisten übrigen Raubburgen am Rhein.

Fünfzig Jahre später erhob Fürstenberg sich wieder aus dem Schutte, schöner und stattlicher als zuvor. Aber bald nach seiner Vollendung versetzte es das pfalzgräfliche Haus an Trier, und dieses blieb in seinem Besitze, bis im dreißigjährigen Kriege es die Franzosen (1632) sprengten und einäscherten. Seit dieser Zeit ist es Ruine.


Innerhalb dieser düstern Mauern erwartet den Wanderer eine seltne Ueberraschung. Tritt er durch den alten Thorweg, so sieht er sich mit den schönsten blühenden Gewächsen und Fruchtbäumen umringt und erstaunt bemerkt er, daß diese Trümmer die Reize des anmuthigsten Gartens verstecken. Ein freundlicher Pavillon, mit schöner Aussicht, ist der Ruine eingebaut. Die ganze heitere Anlage ist das Werk und das Eigenthum eines Weinhändlers aus Nieder-Heimbach, eines Mannes, der die Liebe für die schöne Natur mit Bildung und Gastfreundschaft vereinigt.



Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/74&oldid=- (Version vom 11.9.2024)