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CCI. Burgos in Spanien.




Es war ein schwüler Nachmittag; heiß brannte uns die kastilianische Sonne auf die Scheitel. Die fast erschöpften, trägen, stolpernden Maulthiere trugen uns langsam auf schroffen Pfaden zum Plateau der Sierra. Plötzlich hielt der voraustrabende Führer, und abendwärts deutend rief er aus: „Dort liegt Burgos mit seinen Thürmen!“ Schnell eilten wir nach. Welch eine Aussicht! Ein ferner, hoher Berggürtel, der sich rund um die Gegend, in deren Mittelpunkt die Stadt lag, herzog, schien bis in die Mitte mit schwarzem, silberumsäumtem Gewölk umzogen, in dem Blitze zuckten, und aus welchem ein unheimliches Getöse herüber drang, wie aus einer ungeheuern Werkstatt. Die Stadt selbst dagegen erschien hell und klar. Ihre glatten und weißen Mauern warfen die glänzenden Strahlen der Sonne zurück, und das vortreffliche Ebenmaß, der edle Styl aller Gebäude, ihre schöne Zusammenstellung kamen auf das vortheilhafteste zum Vorschein. Silberne Blumen schimmerten von den Thurmspitzen, und güldene Kreuze funkelten und leuchteten, wie dreifache Flammen.

Rasch trabten wir hinab in die Ebene. Als wir in die alte Königsstadt einritten, war die Nacht schon eingebrochen. Hie und da eine Figur, die zur Kirche wandelte; dann und wann der Klang einer Meßglocke: sonst Todtenstille in den öden, finstern Gassen. Da fingen die schlanken, bunten Fenster in den Kirchen und die obern in den Pallästen an hell zu werden; der Vollmond war heraufgestiegen, und sein bleiches Licht fiel auf die hohen Gebäude. Die gewaltigen Säulen, Mauern und unabsehlichen Façaden der verschlossenen Klöster erhellten sich allmählich ganz, bis sie im reinsten, silberfarbenen Schimmer standen und mit den sanftesten Farben spielten. Jeder Gegenstand war nun deutlich sichtbar, und der Widerschein der Heiligenstatuen von den Portalgesimsen der Kirchen und Palläste, von den wunderlichen Arabesken in den durchbrochenen Thürmen und den reichen, phantastischen Verzierungen an den Häusern malte die Straßen geisterhaft. Ich dachte an Cid, den Ritter ohne Furcht und Tadel, und augenblicklich schuf meine Phantasie aus den leblosen Schatten ein lebendiges Getümmel von Rittern und Knappen, und Spießen und Schwertern, und Schildern und Helmen, die sich nach dem Balkon des alten Königspallastes zu neigen schienen, auf welchem ich ein gekröntes Paar auf goldenem Sitze, von Rittern und Edeldamen umgeben, zu erkennen glaubte. Noch träumte ich fort, als wir durch das Thor eines sehr großen Gebäudes einritten. In der Mitte des Hofes spiegelte sich der Mond in den Wellen eines Marmorbassins, in das die Silberstrahlen des Wassers

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/69&oldid=- (Version vom 12.10.2024)